Ein Buchbinder im Taumel der Macht

■ Mehr Schein als Sein: „Der Freund des Präsidenten“ im Stadttheater Bremerhaven

„Wählt mich, denn ich liebe die Macht. Wählt mich, denn ich opfere mich nicht!“ Das ist nicht Gerhard Schröder livehaftig, sondern Bremerhavens Schauspieler Gerd Staiger in der Rolle des Buchbinders Leon Daim, der in diesen Tagen am Stadttheater das Licht der deutschsprachigen Welt erblicken durfte. „Der Freund des Präsidenten“ heißt die Komödie des Franzosen Felicien Marceau, die vor 14 Jahren uraufgeführt wurde.

Es geht um einen alternden Pariser Junggesellen mit einem seltsamen Hobby. Er liebt es, an höchst offiziellen Zeremonien und Feierlichkeiten teilzunehmen, gleich, ob es sich um Denkmalsenthüllungen, Aufmärsche oder Begräbnisse handelt. Dabei lernt er, daß die Ehrentribüne der Ort mit der besten Aussicht ist. Ungehindert wählt er seinen Platz regelmäßig an der Seite maßgeblicher Herren der Regierung.

Als er neben dem Präsidenten der Republik zu stehen kommt, fällt er dem Verfassungsschutz ins Auge. Weil niemand etwas über den großen Unbekannten weiß, muß er sein, was augenscheinlich naheliegt. Er avanciert zum Freund des Präsidenten. Einmal zugeordnet, wird Leon künftig von allen Seiten angegangen, seine Kontakte erfolgreich spielen zu lassen. Da eine Hand die andere wäscht, wird der tapfere Buchbinder genau das, was alle in ihm sehen. Am Ende ist seine Blitz- Karriere mit einer jungen Frau an seiner Seite und einem Staatsratsposten komplett.

Die Parabel auf Schein und Sein im Licht der Macht kommt leider über den angestaubten Charme der 50er Jahre nicht hinaus. Marceau hat keine scharf gewürzte politische Satire geschrieben, sondern einen bieder- braven Schwank, dessen gepflegter Plauderton niemandem wehtut. In der soliden Inszenierung von Michael Ritz kommt das altbackene Stück zudem selten richtig in Fahrt. Die Bühne des Großen Hauses ist mit hintereinandergestaffelten Bücherwänden erdrückend vollgestellt (Bild: Andreas Jander).

Selbst eine herausragend souveräne Christel Leuner als Leons intrigenspinnende Schwester Angele und ein in der Rolle des machtverliebten Kleinbürgers überzeugender Gerd Staiger können dieses zahnlose Komödchen nicht vor dem absehbaren Begräbnis bewahren. Es dürfte ohne große Zeremonien in der Versenkung verschwinden. hans happel

Weitere Vorstellungen am 15.11. (20 Uhr) spwie am 26.11 .(19.30 Uhr) im Großen Haus des Stadttheater sBremerhaven