“Das kann man nicht abreißen“

■ Uni Bremen: Asbest im GW II meist unterhalb der Richtwerte / Angst bleibt

Versuchte Entwarnung in der unendlichen Giftgeschichtes des Gebäudes GW II (Geisteswissenschaften) an der Bremer Uni: Gestern legte Rektor Timm in einer Pressekonferenz die Ergebnisse einer neuen Meßreihe vor, die nötig geworden war, nachdem überraschend auch in Gebäudeteilen, die vom jüngsten Brand unberührt waren, Asbest entdeckt worden war. Timms Interpretation: das GW II muß nicht, wie befürchtet, geschlossen werden. „Nur“ in zwei Räumen sind besorgniserregende Zahlen von Asbestfasern in der Luft gezählt worden. Die Zimmer inclusive Nachbarräume wurden gleich verriegelt. Der Rest der 30 Meßstellen scheint unbedenklich.

Nachdem der sog. A-Trakt des GW II seit dem Brand im Oktober wegen multipler Versuchung gesperrt ist, hatten Fachleute im B-Trakt vor drei Wochen unerwartet ebenfalls Asbestfasern entdeckt. Offenbar sind besonders Räume nahe den mit Asbestplatten ausgerüsteten Brandschutzmauern gefährdet. Seitdem geht Angst um unter Studierenden und Angestellten, die im GW II zu tun haben. Schwangere Studentinnen gehen seit Wochen nicht mehr zur Vorlesung.

Auf einer Teilpersonalversammlung der Beschäftigten im GW II legte Timm gestern seine Strategie für eine Sanierung des GW II vor: Sofort, innerhalb von zwei bis drei Wochen, sollen die Quellen der Asbestverseuchung gefunden werden. Bis Ende des Jahres soll ein Sanierungsplan in Grundzügen vorliegen. Zur Sanierung sollen jeweils Bereiche von ca. 30 Räumen abgesperrt werden. Auf der politischen Ebene soll „absolute Priorität“ durchgesetzt werden, und Bonn soll 50% bezahlen. Was das insgesamt kostet, ist noch völlig unabsehbar. Doch selbst wenn ein Neubau billiger wäre – ein asbestverseuchtes Gebäude „kann man nicht abreißen“ (Timm).

Der Lehrbetrieb soll derweil zwischen den Baustellen weitergehen. Der Personalrat dagegen vertrat die Meinung, das Gebäude müsse sofort geschlossen werden, bis eine ganz genaue Vorstellung über das Ausmaß der Asbestverseuchung und eine toxikologische Auswertung vorliege. Allerdings hätte der Vorschlag des Personalrates Umzüge und längere Wege zum Arbeitsplatz gebracht, für StudentInnen sogar Nacht- und Samstagsarbeit – Umstände, die eine knappe Mehrheit der Personalversammlung für Timms Mischlösung votieren ließ.

Objektiv bestehe „kein Handlungsbedarf“, so sagen die Fachleute, die sonst mit ganz anderen Konzentrationen zu tun haben. Das Problem ist eher die verängstigte Psyche. „Die Verängstigten wollen da nicht mehr arbeiten,“ hat Timm festgestellt, will diese Menschen indes ernst nehmen und notfalls unbürokratisch für Arbeitsplätze außerhalb des GW II sorgen. Er setzt ganz aufs positive Denken: Die Betroffenen sollen immer daran denken, „nach der Sanierung habe ich einen viel besseren Arbeitsplatz.“

StudentInnen im GW II ist dabei offenbar mulmig zumute. Man ist froh, wenn man nicht allzuviel hier zu tun hat; eine sagt: „Ich find' das hier sowieso nicht besonders gemütlich.“ Der Brutalbeton, die abgesperrten Schreckensbereiche und nun Asbest überall – da denken schon einige über Umzug nach.

So auch der Asta. Am Dienstag soll die studentische Vollversammlung beschließen, das GW II dichtmachen zu lassen. „Für Krebs gibt es keine Grenzwerte. Das GW II soll so lange dicht bleiben, bis der Nachweis der Unschädlichkeit erbracht ist,“ sagt Beatriz Dreyer vom Vorstand. Sie denkt an einen Umzug in die leerstehende Kaserne Vahr, an Pendelbusse und eine Garantie, daß Bafög-Empfängern dieses eventuell verlorene Semester nicht angerechner wird. Möglicherweise bleint es nicht bei Worten: „Wir können ein Gebäude von uns aus zumachen. Im Streik geht das ja auch.“

Der Rektor sieht das schon kommen. „Notfalls weichen wir mit den Veranstaltungen aus, ich bin darauf vorbereitet.“ Das Wichtigste ist ihm die Freiheit beim Lernen – hier meint Herr Timm die Angstfreiheit.

Burkhard Straßmann