Mexikos Staatspartei unter Verdacht

■ Staatsanwalt beschuldigt PRI-Führung des Mordkomplotts

Mexiko-Stadt (taz) – Wie eine Bombe sind am Mittwoch die Anschuldigungen von Staatsanwalt Mario Ruiz Massieu gegen die Spitze der Regierungspartei PRI eingeschlagen: In einer öffentlichen Pressekonferenz beschuldigte der Bruder des am 28. September ermordeten PRI-Generalsekretärs Francisco Ruiz Massieu dessen Nachfolgerin Maria de los Angeles, den Parteivorsitzenden Ignacio Pichardo und sogar seinen direkten Vorgesetzten, den Bundesstaatsanwalt Humberto Beñitez, die Hintermänner des Attentats zu decken und die Ermittlungen bewußt zu verschleppen.

Fast eine Stunde lang verlas der junge Staatsanwalt vor Presse und Publikum sichtlich nervös seinen ungewöhnlichen Untersuchungsbericht: der Generalsekretär sei einer „eindeutig politisch motivierten“ Verschwörung zum Opfer gefallen, in die „mindestens“ 15 Personen verwickelt seien und deren Drahtzieher – der Ex-PRI-Abgeordnete Manuel Muñoz Rocha – sich nach wie vor auf freiem Fuß befindet. Dieser sei das Bindeglied zu einer einflußreichen „Gruppe von Politikern“ – und Ruiz Massieu läßt keinen Zweifel über deren Parteimitgliedschaft –, die das Attentat an dem unbequemen PRI-Reformer geplant hätten. Und die Parteiführung, besonders die neue Generalsekretärin und der „schamlose Parteivorsitzende“ hätten immer wieder versucht, Verantwortliche zu decken und dabei sogar „gemeinsame Sache“ mit dem Vorsitzenden der Justizbehörde, Beñitez Treviño gemacht. Beweise für die aufsehenerregenden Behauptungen seien bei einem Notar hinterlegt.

Schon am Nachmittag ging die Parteiführung zum Gegenangriff über: die „unverantwortlichen“ Anschuldigungen würden nicht nur „kategorisch“ zurückgewiesen, so PRI-Chef Pichardo. Man erwäge auch eine Verleumdungsklage gegen den aufmüpfigen Staatsanwalt. Anne Huffschmid