20jährige gestehen Anschlag

Am ersten Prozeßtag um den Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge gestanden zwei Angeklagte gestern ihre Tatbeteiligung  ■ Aus Schleswig Kersten Kampe

Der erste Verhandlungstag im Prozeß um den Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge begann gestern vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichtes in Schleswig mit einer Überraschung. Zwei der vier angeklagten jungen Männer, denen die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft fünffachen versuchten Mord und schwere Brandstiftung vorwirft, gaben zu, daß sie in der Nacht zum 25. März dieses Jahres in Lübeck dabeigewesen seien.

„Das ist ein Überraschungsangriff, den wir so nicht hinnehmen werden“, empörten sich die Anwälte der vier mutmaßlichen Brandstifter. Anders als offenbar zwischen den Prozeßbeteiligten abgesprochen, hatte der Vorsitzende Richter Hermann Ehrich die Jugendlichen direkt nach der Verlesung der Anklage gefragt, ob sie an dem Anschlag beteiligt gewesen seien. Nach dem Protest der Verteidiger vertagte das Gericht den Prozeß bereits nach einer Stunde auf Freitag. Alle vier Angeklagten im Alter zwischen 20 und 25 Jahren waren nicht mehr bereit, weitere Angaben zu machen.

Zuvor hatten die beiden jüngsten Tatverdächtigen, der 20jährige Nico T. und der gleichaltrige Boris Sven H.-M., ihre Beteiligung an dem Brandanschlag zugegeben. Boris Sven H.-M. beschuldigte außerdem die beiden weiteren Angeklagten der Mittäterschaft. Doch sowohl Stephan Markus W. (25), der seine dunkle Sonnenbrille erst abnahm, als die Fotografen und Kameraleute den Gerichtssaal verlassen hatten, als auch Dirk B. (22), der als einziger der vier mit weißem Hemd, Schlips und Jackett gekommen war, leugneten jegliche Tatbeteiligung.

Die Karlsruher Anklagebehörde wirft den vier Männern vor, die Synagoge aus Haß gegen Ausländer und Juden in Brand gesteckt zu haben. Gehandelt hätten die Angeklagten aus niederen Beweggründen und heimtückisch. Billigend hätten sie den Tod von fünf Menschen, die sich in den Wohnungen über den Räumen der Synagoge aufgehalten haben, in Kauf genommen.

Mit harten Worten protestierten insbesondere die Anwälte der beiden 20jährigen, die vor Gericht als Heranwachsende gelten, gegen das Vorgehen des Strafsenats. Vertrauensschaden und unsensibles Vorgehen warfen sie Ehrich vor. „Mein Mandant befindet sich in einer extremen Streßsituation. Er hat nächtelang nicht geschlafen. Ich habe ihn damit beruhigt, daß es heute noch nicht bedrohlich für ihn werde, daß er lediglich seinen Lebenslauf schildern soll“, erklärte der Anwalt von Boris Sven H.-M. Sein Mandant sei zudem ein Mensch „von nicht starker Auffassungsgabe“.

Doch den Vorsitzenden Richter ließ die Kritik an seiner Verhandlungsführung kalt. „Wenn man unter Anklage steht, sollte man auf die Frage, ob man es war, gefaßt sein.“ Ehrich merkte zudem an, er habe gedacht, es sei für die beiden Heranwachsenden eine Erleichterung, wenn das Schlimmste hinter ihnen liege. Sein Vorschlag, den Prozeß wie geplant mit den Vernehmungen zur Person fortzuführen, stieß bei den Anwälten und ihren Mandanten auf keine Gegenliebe. Erst am zweiten Prozeßtag, am Freitag, sollen nun die Lebensläufe der Angeklagten zur Sprache kommen. Die Zeit bis dahin wollten die Anwälte nutzen, um „den Vertrauensschaden zu reparieren“.