Ministerin mit rechtem Vorlauf

Claudia Nolte gibt sich bei Antrittsrede im Bundestag zahm / Die Thüringerin pries früher nationale Symbolik der Friedrich-Umbettung und vertritt knallharte Drogenpolitik  ■ Aus Bonn Hans Monath

Eine bislang radikale Abtreibungsgegnerin gibt sich plötzlich kompromißbereit. In ihrer ersten Rede als Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendministerin hat Claudia Nolte gestern dem Bundestag in der Abtreibungsfrage Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. „Mir wird ein Konsens persönlich viel abverlangen“, sagte die Jungministerin, die ihre katholische Erziehung hervorhob: „Aber ich biete Ihnen meine Bereitschaft dazu an.“

Der „bessere Schutz ungeborener Kinder“ und die Förderung der Familie nahmen zwar auch gestern einen zentralen Stellenwert in Claudia Noltes Rede ein. Aber im Vergleich zu ihren bislang bekannten Standpunkten gab sich die überraschend ins Kabinett geholte Thüringerin betont zahm.

Einfach einzuschätzen ist die 28jährige Frau nicht. Im privaten Bereich scheint sie das Gegenteil dessen zu leben, was sie als christlich-konservative Antifeministin und Lobsängerin der Mutterrolle öffentlich fordert. Ehemann Rainer, mit dem sie in einer Wohngemeinschaft lebt, steckte zurück, nahm Erziehungsurlaub und arbeitet nun wegen der beiden Kinder nur noch halbtags.

Auch manche CDU-Politiker fragen sich, ob Kohl tatsächlich wußte, wie rückwärtsgewandt die Frau bislang dachte, die nun angeblich in der Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik die „Zukunftsfähigkeit“ des Landes sichern soll.

In der Drogenpolitik vertrat Nolte bisher eine knallharte Linie: Keine Trennung der Märkte von weichen und harten Drogen, sondern Kampf gegen Drogenhändler mit der „gesamten Macht des Rechtsstaates“ und Suchtprävention durch „Sinn- und Wertvermittlung“, forderte sie als jugend- und frauenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. Diese rigide Haltung gilt der Thüringerin als „echte Antidrogenpolitik“.

Wahrscheinlich hat es Kohl gefallen, daß ihm Claudia Nolte zur Seite sprang, als er 1991 zur umstrittenen Umbettung Friedrich II. nach Sanssouci pilgerte. Es sei wichtig, erklärte Nolte damals, „den Menschen – vor allem auch jungen Menschen – die Möglichkeit der Identifikation mit dem eigenen Volk zu eröffnen“. Wer das Spektakel kritisiere, so unterstellte sie, fördere Fremdenhaß: „Von Deutschen, die sich darauf beschränken sollen, als Nachfahren der Nazimörder Weltsünder Nummer eins zu sein, kann kaum erwartet werden, daß sie sich vorurteilsfrei Angehörigen anderer Nationalitäten öffnen und deren Integration in unserem Land fördern.“

Ein Jahr vorher wagte Nolte in einem Interview zum Thema Fremdenhaß eine besonders heikle Gratwanderung. Sie habe zwar „kein Verständnis“ für Gewalt und Ausschreitungen gegen Asylbwerber oder Ausländer, sagte sie, fuhr aber fort: „Aber ich kann schon nachvollziehen, wenn Bürger erbost sind über den Mißbrauch des Asylrechts. Weniger als fünf Prozent der Asylbwerber werden letztlich anerkannt.“

Kein Wunder, daß Nolte als Abgeordnete vehement für Steffen Heitmann als Bundespräsidenten warb. Besonders gefiel ihr an dem später gescheiterten Kandidaten, daß er „die Mutterrolle würdigt“. Die Kritik an Heitmann-Äußerungen bezeichnete sie als „Diskriminierung der Hausfrauen“.

Wer Heitmann liebt, kann Rita Süssmuth nicht schätzen. „Verständnis für die zum Teil massive Kritik“ aus der CDU an der Bundestagspräsidentin äußerte Nolte, nachdem diese sich gegen eine Eingrenzung des Asylrechts und für die rechtliche Stärkung homosexueller Paare ausgesprochen hatte.

Ihrer konservativ-christlichen Gesinnung will Nolte in der Politik offenbar ein Monopol sichern. So wandte sie sich mit dem Argument gegen eine Unterstützung der Jugendweihe, „die Finanzierung sozialistischen Gedankenguts“ sei nicht Aufgabe des Staates.

Vorangegangen ist die Jungpolitikerin allerdings in der Diskussion über das Verhältnis ihrer Partei zu den Grünen. Schon im Frühjahr 1992 empfahl sie der CDU Baden-Württembergs, mit der neuerdings auch von Fraktionschef Schäuble gelittenen Öko-Partei zu koalieren. Ihr Argument damals: „Es wäre ein interessantes Experiment, unsere Marktwirtschaft durch eine Zusammenarbeit mit den Grünen ökologisch fortzuentwickeln.“