Tod auf Behandlung

■ Schwere Vorwürfe gegen Bernhard-Nocht-Institut / Gutachten: Fünf Tote nach Behandlungsfehler / Klinikchef läßt sich beurlauben Von Uli Exner

Neuer Krankenhausskandal in Hamburg. Im Bernhard-Nocht-Institut für Tropenkrankheiten sollen fünf Malaria-Patienten nach Behandlungsfehlern gestorben sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Münchener Professors Dieter Eichenlaub. Der Leiter der klinischen Abteilung des Instituts, Professor Manfred Dietrich, wurde beurlaubt. Unklar blieb gestern, ob es in den vergangenen Jahren Versuche gegeben hat, die Fälle zu vertuschen.

Das Gutachten, das am Abend bei einer überraschend einberufenen Pressekonferenz von Gesundheitssenatorin Helgrid Fischer Mentzel vorgestellt wurde, kommt zu dem für das Bernhard-Nocht-Institut vernichtenden Urteil, daß

1. „mindestens drei dieser Malaria-Patienten ohne ihr Wissen und Einverständnis in eine Arzneimittelstudie einbezogen worden“ seien. Übersetzt: sie wurden zu menschlichen Versuchskaninchen degradiert. Ihnen wurde nach Angaben der Krankenhausleitung das Durchblutungsmittel „Trental“ verabreicht, das – so stellte sich nach Angaben des Tropeninstitutsdirektors Hans Müller Erhard später heraus – der Bekämpfung der Malaria in diesem Zustand „nicht förderlich“ gewesen sei.

2. kommt das Gutachten zu dem Schluß, daß alle fünf Malaria Patienten zu spät vom Bernhard-Nocht-Institut in die Intensivstation des Allgemeinen Krankenhauses Altona verlegt worden seien. Das Gutachten, so Senatorin Fischer Mentzel, komme zu dem Ergebnis, „daß die Todesfälle vermeidbar gewesen wären, wenn die Patienten frühzeitiger auf eine Intensiv-Station worden wären.“

Die Gesundheitsbehörde ist nach eigenen Angaben erst im November 1993 durch einen Arzt auf die möglichen Behandlungsfehler hingewiesen worden. Aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe wurde das Gutachten vergeben. Brisant: Der Hamburger Ärztekammer war zumindest der Verdacht, daß der Tod der Patienten vermeidbar gewesen sei, schon sehr viel länger bekannt gewesen. Die Ärztekammer, so die Senatorin, sei aber intern zu dem Ergebnis gekommen, „daß weiter Überprüfungen“ nicht notwendig seien und habe die Behörde nicht informiert.

Die fünf Patienten, vier Männer und eine Frau, waren nach Angaben des Nocht-Instituts alle nach Afrika-Reisen an Malaria erkrankt und erst in einem „späten Stadium“ von anderen Krankenhäusern in das Tropeninstitut überwiesen worden.

Als erste Konsequenzen kündigte Fischer-Mentzel gestern eine Prüfung der „organisatorischen Anbindung der Klinik“ an. Außerdem sollen die Vorwürfe des Münchener Professors mit weiteren Gutachten überprüft werden.