Unmittelbar politisch

■ "Dipipol" versteht sich als "Selbsthilfegruppe gegen Rassismus" Mit den Gründungsmitgliedern Fatima (29), Marc (36) und Satano (25) sprach Nii Addy

taz: Dipipol ist 1993 entstanden und hat in den vergangen Monaten in Berlin mit einer Reihe von ungewöhnlichen Aktivitäten auf sich aufmerksam gemacht. Was war der politische Hintergrund für die Gründung dieser Initiative?

Fatima: Die Initialzündung für die Gründung waren zum einen die Ereignisse von Solingen und zum anderen der Asylkompromiß im Bundestag. Ursprünglich war Dipipol eine reine Privatinitiative von gemeinsamen Freunden, die sich dann allmählich durch Mundpropaganda vergrößert hat. Auf französisch würde man dies „Arabisches Telefon“ nennen.

Gerade in Berlin gibt es doch bereits eine Vielzahl von antirassistischen Gruppen. Wieso habt ihr euch nicht irgendeiner dieser bestehenden Organisationen angeschlossen?

Marc: Ich stand damals vor der Entscheidung, hier zu bleiben oder aus Berlin wegzugehen. Da ich hierblieb, wollte ich unbedingt in einer Immigrantengruppe arbeiten. Ich war dann bei einer Reihe von antirassistischen Initiativen. Aber ich habe gemerkt, daß dort irgendwie kein richtiger Platz für Immigranten war. Es war sehr schwierig für mich, dort zu reden, und ich hatte den Eindruck, die Leute dort wollten zwar etwas gegen Rassismus tun, sie hatten aber eigentlich keine Ahnung über die Realität von Immigranten in Deutschland. Es gibt auch Leute aus der linken antifaschistischen Szene, die nicht vor Rassismus gefeit sind.

Fatima: Oft sind die Gruppen zu lasch und haben eine ganz andere Art der Betroffenheit. Viele dieser Organisationen werden hauptsächlich von Deutschen getragen, die nicht die Immigrationserfahrung gemacht haben. Sie besitzen ganz andere Aktionsfelder als wir. Das Problem ist aber auch, daß die meisten Immigrantengruppen nationalitätsbezogen arbeiten, selbst diejenigen, die eigentlich einen internationalen Anspruch haben. Die Politik dieser Gruppen ist auch stärker in Richtung ihrer alten Heimat orientiert als auf Deutschland bezogen. Sie beharren daher weniger auf ihre Rechte in diesem Land, indem sie leben.

Seit eurem Bestehen habt ihr – gerade auch in Stadtteilen, die als Hochburgen von rechtsextremen Jugendlichen gelten – eine Vielzahl von Aktivitäten entfaltet. Was habt ihr konkret gemacht, und was waren die Ziele dieser Aktionen?

Satano: Wir unternehmen ganz unterschiedliche Dinge. Das können Demonstrationen, Infostände, Konzerte oder auch theoretische Arbeiten sein. Wir bringen auch Broschüren heraus, um unsere eigenen Vorstellungen in der Gesellschaft bekannt zu machen. Wir wollen zeigen, daß wir auch da sind und hier leben. Anfangs haben sich unsere Aktionen an alle Menschen gerichtet, also auch an die Rechten. Allerdings haben wir schnell gemerkt, daß dieser Ansatz wenig erfolgreich war.

Euer Gesprächsangebot an rechte Jugendliche war nie unumstritten. Warum habt ihr anfangs dennoch einen starken Akzent gerade auf diese Arbeit gesetzt?

Marc: Für mich persönlich hat unsere Arbeit immer zwei Aspekte. Erstens ist da der symbolische Aspekt, wie zum Beispiel bei dem von uns in Schöneweide organisierten Fest. Dort gab es dann in einer Kneipe, wo normalerweise 70 Prozent Rechtsextreme sind, einen Infostand mit Musik und vielen Asiaten, Türken und Afrikanern. Der andere Aspekt solcher Aktionen ist Solidarität. Denn es gibt ja eine ganze Menge von Immigranten, die im Osten leben, und für diese Leute, die oft mit Skinheads als Nachbarn leben, müssen wir präsent sein.

Fatima: Ich finde es auch sehr wichtig, daß wir uns an solchen Orten zeigen, wo wir normalerweise nicht erwünscht sind. Das ist ja nicht nur der Bezirk Schöneweide, sondern der ganze Osten. Ich habe gemerkt, daß mir die direkte Konfrontation mit den Rechtsradikalen auch geholfen hat, meine Angst zu überwinden.

Es war wichtig zu erfahren, daß wir als Immigranten überall hingehen können – zumindest sobald wir massiv auftreten. Wir haben dabei natürlich nicht den Anspruch, daß die Rechtsradikalen nach Gesprächen mit uns ihren Glauben aufgeben. Bei vielen ist der Zug abgefahren, aber es gibt immer eine gewisse Zahl, die eine Gesprächsbereitschaft gezeigt hat.

Vertraut ihr nicht zu sehr auf die individuelle Überzeugungskraft. Auf welcher Ebene müßte eine gesamtgesellschaftliche Strategie gegen den Rassismus ansetzen?

Fatima: Vom Staat erwarte ich in dieser Hinsicht gar nichts. Er unterstützt einerseits die Rechtsradikalität durch Nichtstun oder startet Alibiprojekte, wenn zum Beispiel Immigranten als Folkloreträger nach Ostberlin geschickt werden. Privat kann man aber eine ganze Menge tun.

Marc: Wir kämpfen gegen jede Form von Diskriminierung, sei es im Arbeitsleben oder in der Regierungspolitik. Die Arbeit bei Dipipol hilft, das eigene Bewußtsein zu stärken. Für uns gibt es keinen Unterschied zwischen privat und Politik.

Kontakt: Dipipol c/o Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1, 10969 Berlin, Spendenkonto: 06400.240.50 BLZ 100.500.00, Sparkasse der Stadt Berlin