Aidskranke abschieben

■ Schweden will seine Flüchtlingspolitik „der Ökonomie anpassen“

Stockholm (taz) – Die neue sozialdemokratische Regierung in Schweden will die Flüchtlingspolitik verschärfen. Einwandererminister Leif Blomberg will die Aufnahmepraxis an die Wirtschaftslage des Landes „anpassen“. Im Bürokratenschwedisch heißt das „Einführung von Planungsrahmen für die Einwanderung unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Lage“.

Was das praktisch bedeutet, wird gerade im Fall HIV-erkrankter Flüchtlinge in Schweden vorgeführt. Auch wenn es nur acht bis zehn davon gibt, werden sie dem Land anscheinend zu teuer. Jüngster Fall ist eine ugandische Frau und ihr zweijähriger Sohn. Vor zwei Jahren ist sie mit ihrem Kind nach Schweden geflüchtet, nachdem ihr politisch engagierter Mann verhaftet worden war. Der aidskranken Mutter geben die Ärzte nicht mehr als zwei Jahre – falls sie weiterhin mit einer Bremsermedizin behandelt wird. Ihr zweijähriger Sohn hat ebenfalls HIV im Blut. Was die Einwandererbehörde nicht hinderte, nach der Ablehnung eines Asylantrags auch eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu verweigern. Am 12. Oktober erging der Ausweisungsbeschluß: Es müßten „die humanitären Aspekte mit den ökonomischen Wirkungen, welche die direkte oder indirekte Folge des Bleibens auslösen könnten, abgewogen werden“. Ann-Margret Pettersson, Abteilungsleiterin am Danderyd-Krankenhaus von Stockholm, die einen HIV-Kindergarten in Stockholm initiiert hat, ist empört: „Wir haben hier verhältnismäßig so wenig HIV-Erkrankte, daß wir ihnen ein besseres Leben und einen würdigeren Tod geben können.“ Hans Blyme von der Ausländerbehörde, zuständig für den Ausweisungsbeschluß: „Wir folgen nur den Richtlinien der Regierung. Und wir wissen ja, daß jetzt schon viele nur deshalb nach Schweden kommen, um ihre Krankheiten hier behandeln zu lassen.“ Auch zweijährige Kinder? Anita Dorazio vom Flüchtlingsrat FARR: „Das ist zynisch und widerlich!“

Reinhard Wolff