piwik no script img

„Das Leben muß Spaß machen“

Gesichter der Großstadt: Gala Breton / Vom Straßenstrich zum Multitalent – die 31jährige hat die Ausstellung „Tempel der Lüste“ organisiert  ■ Von Peter Lerch

Ob sie in fließendem Englisch Reporterfragen beantwortet oder ob sie bei Vox in der Sendung „Wa(h)re Liebe“ über Prostitution philosophiert – immer versucht Gala Breton, charmant zu sein.

Eine Weile spielt sie wie ein junges Mädchen mit der abgelösten Sohle ihrer halbhohen, mit einem Reißverschluß versehenen Lackschuhe, um sich einen Augenblick später wieder den beiden Reportern einer Norwegischen Tageszeitung zuzuwenden, die eigens gekommen sind, um Gala Breton zu interviewen – wegen der von ihr organisierten Ausstellung „Tempel der Lüste“. Völlig unspektakulär erzählt sie von der mangelnden sozialen Absicherung der Huren und deren gesellschaftlichem Status. Gala Breton weiß, wovon sie spricht. Schließlich hat die 31jährige selbst zehn Jahre angeschafft. Über sieben Jahre davon in Berlin, vorwiegend in Sexkinos und auf dem Straßenstrich.

Zeitweise hat sie es auch als Edelprostituierte im Escortservice versucht, kam aber mit den „Kunden“ dort nicht klar: „Ich konnte mit diesen reichen, vollgekoksten Rechtsanwälten, die einem fast das Ohr abkauen, nichts anfangen. Weißt du, solche Typen, die der Auffassung sind, daß sie für ihr Geld die ganze Frau gekauft haben. Ich habe mich mit einfachen Typen immer besser verstanden.“

Gala Breton, mit bürgerlichem Namen Birgit L., stammt aus Augsburg. Sie wuchs in guten Verhältnissen auf, besuchte das Gymnasium und hätte, wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, nichts weiter zu tun gehabt, als sich darauf vorzubereiten, irgendwann einen reichen Mann zu heiraten und eine Familie zu gründen.

Das war der jungen Frau zuviel, in Augsburg wurde es ihr bald zu eng. Sie wollte etwas erleben, Erfahrungen sammeln, statt von einem Elternhaus, das sie als Gefängnis empfand, in eine andere spießbürgerliche Daseinsform zu wechseln. Als sie siebzehn war, lief sie von zu Hause weg. Mit ihrem damaligen Freund flog sie in die USA, wo sie sich zunächst ein Jahr lang aufhielt. Dort fühlte sie sich jedoch auch nicht wohl. „Mein Leben in den Staaten war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.“ Wieder zurück in Augsburg, verdiente sie ihr erstes Geld auf dem Teenie-Strich. Dank einer Freundin, die sie vom gemeinsamen Anschaffen her kannte, kam sie nach München, wo sie in einem der Edelpuffs arbeitete, die sich häufig als Bade- und Saunaclubs tarnen.

Ihr Leben als Hure, sagt sie heute, war „die größte Selbsterfahrungstherapie, die ich jemals hätte machen können“.

Doch bald hielt sie auch in Süddeutschland nichts mehr. Gala Breton ging nach Berlin. Die Nächte tanzte sie durch, tagsüber ging sie wieder anschaffen. Das gefiel ihr. „Für mich war das Leben immer irgendwie ein Abenteuer. Neugierig, wißbegierig – die Betonung liegt auf gierig, denn ich hatte jahrelang eine absolute Lebensgier.“ Deshalb mag sie nicht, wenn Prostituierte als arme, bemitleidenswerte Geschöpfe dargestellt werden. Prostitution ist für Gala Breton nichts weiter als eine Möglichkeit für Frauen, schnell viel Geld zu verdienen. Ihr hat das Spaß gemacht. „Ich liebe mein Leben so wie es war und möchte keine Erfahrung missen; auch wenn es manchmal ganz beschissen war.“

Vor drei Jahren hat sie die Prostitution aufgegeben. Der Grund: Sie hatte sich Hals über Kopf verliebt. Nach und nach habe sie die Lust verloren, andere Männer an sich ranzulassen. Im Januar 1991 bekam sie einen Job bei der Deutschen Aids-Hilfe, wo sie bis zum Frühjahr 1993 im Referat Prostitution arbeitete. Mehr durch Zufall wurde sie mit der Organisation der Kunstausstellung „Tempel der Lüste“ beauftragt, nachdem die ursprünglichen Organisatoren aufgegeben hatten.

Wenn die Ausstellung Ende November beendet ist, will Gala Breton ein Theaterstück schreiben. Angefangen hat sie schon, und es macht ihr Spaß. Das ist für sie lebenswichtig: „Alles muß Spaß machen und fesselnd sein.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen