Löcher im Haushalt

■ Parlament versucht Milliarden-Fehlbetrag im Doppelhaushalt 95/96 zu verstecken / Für böse Überraschungen fehlt Geld

In den kommenden beiden Jahren darf kaum etwas passieren, was Berlin unvorhergesehen Geld kostet. Waren für teure Überraschungen in diesem Jahr noch 230 und im vergangenen Jahr sogar 320 Millionen Mark beiseite gelegt worden, hat das Parlament den dafür zuständigen Topf „Verstärkungsmittel“ 1995 auf 10 Millionen Mark reduziert. So eng ist der Doppelhaushalt gezurrt.

Dabei könnte es 1995 und 1996 gleich zu mehreren bösen Überraschungen kommen. Schuld sind die Finanzpolitiker selbst, die einerseits mit dem Rotstift streichen, was so leicht nur auf dem Papier zu streichen ist; und die andererseits Einnahmen buchen, die vermutlich nie kommen werden. Milliarden-Löcher drohen durch eine unseriöse Planung im Kulturetat, bei den Universitäten, bei Investitionen, beim Stellenabbau und bei „pauschalen Minderausgaben“.

So wird für das kommende Jahr mit 148 Millionen Mark Bundesmitteln für die Kultur gerechnet, von denen Bonn bislang nur 13 Millionen Mark zahlen will. Für 1996 hat die Bundesregierung im Rahmen des Hauptstadtvertrags lediglich 60 Millionen Mark für Berlin vorgesehen.

Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) soll in den beiden kommenden Jahren an den Unis insgesamt über 270 Millionen Mark einsparen. Doch Papier ist geduldig und in den Hochschulen nicht alles möglich. In den Universitäten wird bereits so viel gespart, daß 15.000 Studienplätze abgebaut werden müssen. Hochschulpolitiker befürchten, daß die Zahl der Studienplätze schon ohne die neuerlichen 270 Millionen Mark auf unter 100.000 sinken wird.

Problematisch sind auch die „Sonderfinanzierungen“ in Höhe von über einer Milliarde Mark. In dieser Höhe sollen Privatunternehmer die Kosten etwa für den Bau von Schulen, Sportplätzen und den Ausbau des Messegeländes tragen. Berlin will die Gebäude erst nur mieten und später dann kaufen. Doch bislang wurden dem Land derart unvorteilhafte Verträge angeboten, daß die Kosten letztendlich höher würden, als wenn Berlin die Investitionen mit Krediten finanzierte.

Dann geht es bei dem Abbau der Stellen im öffentlichen Dienst nicht so schnell voran, wie es Haushaltspolitiker gerne hätten. Bis Ende 1995 sollen 25.000 Stellen gestrichen sein, doch seit 1991 wurden erst 16.000 Arbeitsplätze abgebaut. Bleiben also mit 9.000 überproportional viele Stellen, die nun im kommenden Jahr wegfallen müßten. Bei den pauschalen Minderausgaben – Einsparungen in Höhe von über zwei Milliarden Mark – ist ein Loch gleich eingebaut. Eine halbe Milliarde Mark können Bezirke einsparen, weil sie beispielsweise die Zuständigkeit für die Jugendheime an die Hauptverwaltung abgeben. Während die 500 Millionen Mark bei den Bezirken prompt gestrichen wurden, tauchen sie als Ausgabe im Etat der Hauptverwaltung aber nicht auf. Diese könnte folglich die Heime nicht bezahlen. Dirk Wildt