■ Neues und Altes aus den Schubladen der Atomindustrie
: Vom Handel mit Ruinen

Suche atomares Endlager. Biete Gorleben. Biete eventuell auch Würgassen. Näheres Verhandlungssache. Angebote unter Chiffre „Konsensgespräche“. Ob sich auf diese Kleinanzeige jemand meldet? Schwer vorstellbar. Denn das Angebot ist dürftig.

Was die deutsche Atomindustrie in internen Papieren laut Spiegel als Entgegenkommen offeriert, ist bei näherem Hinsehen nur der Vollzug der politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Konkret: Es gibt kaum jemanden, der tatsächlich noch an die Realisierung eines Endlagers für hochradioaktive Brennstoffe im Salzstock von Gorleben glaubt. Zu groß sind die technischen, finanziellen, politischen Probleme. Insofern ist es sicher zutreffend, daß dieser Standort von den Energieversorgern allmählich abgeschrieben wird. Daß man ihn als Faustpfand benutzen, daß man Gegenleistungen für die Aufgabe der Endlagerpläne herausschlagen will, ist ebenso logisch.

Als Alternative zu Gorleben soll angeblich der Schacht Konrad auf dem Wunschzettel ganz oben stehen. Das wäre verlockend: Dort, wo ohnehin schon mittel- und leichtaktiver Müll seine letzte Ruhestätte finden soll, gleich noch die hochradioaktiven Brennelemente mit vergraben. Da ließen sich Milliarden einsparen. Nur: Dafür ist der Schacht nicht geeignet. Das wird man auch mit echten Angeboten oder politischer Erpressung kaum zurechtbiegen können.

Angeblich wird auch das vorzeitige Abschalten von ein oder zwei Reaktoren erwogen. Im Falle des AKW Würgassen bedeutet dies einen weiteren Versuch, politisches Kapital aus einer zwingend notwendigen Entscheidung zu schlagen. Ein Handel mit Ruinen. In Würgassen wird der anstehende Austausch des Kernmantels sündhaft teuer werden, wenn er technisch denn zu bewerkstelligen ist.

Interessanter als diese Nichtangebote ist die Drohung mit neuen Konsensgesprächen. Nachdem die SPD ihre Position in den Bundesländern weiter ausbauen konnte und eine Energiepolitik ohne Sozialdemokraten immer waghalsiger wird, ist ein solches Angebot konsequent. Mit Gerhard Schröder hätte die Branche noch dazu einen Partner, der unter Erfolgdruck und aus Eitelkeit auch schlechte Kompromisse verkaufen würde. Eine neue Runde energiepolitischer Gespräche einzuläuten wäre in der Tat ein Erfolg für die Atomindustrie. Mit der Kohle haben die Stromkonzerne nach wie vor ein Druckmittel, um die SPD weich zu kneten. Falls die Atomspalter in diesen Verhandlungen nicht – wie zuletzt – die Kapitulation der Atomgegner, sondern tatsächlich einen Konsens anstreben mit echten Gegenleistungen, dann könnte die seit fast einem Jahrzehnt bestehende Antiatomkoalition von SPD, Grünen und Umweltverbänden geknackt werden. Manfred Kriener