„Das wird ein Ritt über dünnes Eis“

■ Christian Wulff, CDU-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, über den bevorstehenden CDU-Parteitag, die Quote und die notwendige Reform seiner Partei

taz: Der neue Vorsitzende der Jungen Union (JU), Klaus Escher, klagt, die CDU sei nur noch Erfüllungsgehilfe der Regierung Kohl und gebe keine Impulse mehr. Wie wollen Sie das ändern?

Christian Wulff: Die Arbeit der Partei muß an die siebziger Jahre, an die Zeit der Opposition anknüpfen. Damals hat die Partei Themen wie die neue soziale Frage oder die Frauenfrage aufgegriffen und Stellung bezogen. Das hat es in den zwölf Regierungsjahren nicht mehr gegeben. Darin liegt ein Grund für die Wahlverluste der CDU in den vergangenen Jahren – vor allem für die Verluste in den Ländern. Der Bundesvorstand wird Themen vorgeben müssen für Reformdiskussionen, damit wir uns aus der Regierung heraus erneuern können. Sonst müssen wir uns aus der Opposition erneuern.

Muß die Reform von oben oder von unten kommen?

Beides. Früher hat häufig die Parteispitze vorausgedacht und die Basis folgte. Jetzt habe ich manchmal das Gefühl, daß wir vor Ort sehr viel innovativere Ideen und Gedanken haben als die Bonner Parteispitze. Wir müssen auch Vorschläge von Andersdenkenden, von Menschen außerhalb der Partei einbeziehen. Wir müssen uns unseren Kritikern, etwa den Umweltgruppen, künftig sehr viel stärker stellen als in den vergangenen Jahren.

Besteht nicht die Gefahr, daß jeder Ansatz zur gründlichen Reform mit Hinweis auf die knappe Mehrheit der Regierung abgeblockt wird?

Der einzig positive Gesichtspunkt des knappen Wahlerfolges ist die Tatsache, daß man auf einzelne, auch abweichende Meinungen stärker Rücksicht nehmen muß. Wenn es auf jeden ankommt, kann sich die Führung nicht erlauben, einzelne vor den Kopf zu stoßen. Vor allem kann sie sich nicht erlauben, etwas zu tun, was dem Parteiprogramm zuwiderläuft. Im CDU-Parteiprogramm steht beispielsweise die Forderung nach der ökologischen und sozialen Marktwirtschaft. Da ist es schon enttäuschend, daß der Bundeskanzler als Vorsitzender diesen Begriff in seine Regierungserklärung nicht aufgenommen hat.

Escher warnte, der Parteitag werde eine „eintägige Krönungsmesse“.

Wir haben einen Spagat vor. Einerseits muß der Parteitag Helmut Kohl für seinen immensen Einsatz und für den Wahlerfolg danken, der vor allem mit seiner Person zu tun hat. Andererseits müssen wir den Blick nach vorne richten und die wichtigen Themen angehen.

Der CDU laufen bei den Wahlen vor allem die jungen Frauen davon. Hilft da die Quote?

Die CDU ist in ihrer Substanz mehrheitsgefährdet, wenn sie unter der mangelnden Repräsentanz der Jugend und der Frauen leidet. Da wir mit allen Appellen nicht weitergekommen sind, brauchen wir jetzt Regelungen in Form von Quoren. Ich hoffe, daß der Parteitag einen solchen Grundsatzbeschluß fällt. Das wird allerdings ein Ritt über dünnes Eis. Interview: Hans Monath