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UNO kapituliert vor dem Krieg

■ Bihać vor dem Fall: Nato und UNO tun nichts / Kinkel und Kosyrew für Waffenstillstand

Zagreb (AFP/taz) – Die EinwohnerInnen von Bihać warten vergeblich: Seit rund einer Woche wird ihre Stadt mit Artilleriegranaten beschossen, seit zwei Tagen haben die serbischen Truppen die Stadt fast vollständig eingeschlossen, doch weiterhin gibt es kein Anzeichen dafür, wie die UNO den Kampf um die 70.000 Menschen zählende Stadt beenden will. Nachdem ein Nato-Angriff am Freitag am „schlechten Wetter“ und der „Unübersichtlichkeit des Frontverlaufs“ gescheitert war, machte auch die Resolution des UN-Sicherheitsrats vom Samstag wenig Hoffnung auf ein schärferes Vorgehen gegen die serbischen Angreifer. Bundesaußenminister Klaus Kinkel fiel nach Beratungen mit seinem russischen Kollegen Andrei Kosyrew nicht viel mehr ein, als einen „sofortigen Waffenstillstand“ für Bihać zu fordern. Diesen auch durchzusetzen, sah Kinkel dann schon nicht mehr als seine Aufgabe an. Vielmehr verließ es sich auf den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević, der Druck auf die bosnischen Serben ausüben soll.

Den 300 bosnischen Soldaten, die Bihać verteidigen, bleibt somit nach UN-Einschätzung nur noch die Kapitulation oder der Abzug. Den ganzen Tag über gab es in der Nähe des Krankenhauses, in dem rund 2.000 Menschen untergebracht sind, Mann-gegen-Mann-Kämpfe. Die Serben versuchten mit Haubitzen, Granaten und Panzern den Weg zum Stadtzentrum freizukämpfen. Die Verteidigungslinien würden jedoch, so Berichte der Bosnier, halten. Offen kapituliert hat jedoch inzwischen die Nato: Da, so westliche Diplomaten am Sonntag, die serbischen Luftabwehrstellungen zu stark seien, wären Luftangriffe gegen sie äußerst problematisch.

Ein erster Termin, den die Serben für die Kapitulation der bosnischen Soldaten gestellt hatte, lief am Samstag abend ab, wurde aber um einen Tag verlängert. Außerdem unterbreitete die serbische Armee das überraschende Angebot, die Bosnier müßten sich nicht ihr, sondern der Truppe des Muslimen Fikret Abdić ergeben. Ob dies jedoch von Vorteil für die Bosnier sein wird, ist mehr als fraglich. Schließlich hatte die bosnische Armee erst vor wenigen Monaten Abdić und seine Anhänger aus Bihać vertrieben.

Wie die bosnische Führung die Balkan- Politik der UNO beurteilt, machten am Wochenende Regierungschef Haris Silajdžić und UNO-Botschafter Muhamed Sacirbey mehr als deutlich. Bei einem Treffen mit UNO-Kommandeur Rose warf Siladžić ihm vor, den Tod von 70.000 Menschen in Bihać in Kauf zu nehmen. Noch vor Ende der Unterredung stürmte der Premier aus dem Raum und schrie Rose an: „Es wäre Ihre Pflicht, für Luftangriffe zu sorgen, aber Sie erfüllen Ihre Aufgabe nicht.“ Botschafter Sacirbey forderte UNO und Nato auf, die Zivilisten in Bihać zu evakuieren, wenn sie schon „nicht fähig sei“, diese zu schützen.

Unklar ist weiterhin, mit welchem Ziel die USA 2.000 US-Soldaten in die Adria abkommandiert haben. Nach Angaben eines US-Sprechers wird die Spezialeinheit erst dann verlegt, wenn die UNO sie anforderte. Am Sonntag nachmittag brachten die bosnischen Serben 164 UNO-Soldaten in ihre Gewalt. her

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