„Jetzt wird der Schlüssel weggeworfen“

■ Ausstellungsmacherin Barbara Claassen-Schmal über das kurze, bewegte Leben des „Kunstforums am Markt“

Morgen schließt die Edward-Hopper-Ausstellung im „Kunstforum am Markt“, und damit auch das Forum selbst. Auch der Erfolg der wohl letzten Schau konnte nicht verhindern, daß das Projekt vorerst gestoppt wird – nach nur einem dreiviertel Jahr Laufzeit. Ab Mai –95 soll dort stattdessen, wie berichtet, historisches Silber gezeigt werden. Die Kulturdeputation soll am 8.12. über die Umwidmung des Hauses befinden. Die Kultursenatorin macht die fehlenden Finanzen verantwortlich; für die nächsten Ausstellungsvorhaben gab es kein Geld von dritter Seite. Kein Grund zum aufgeben, sagt hingegen Barbara Claassen-Schmal, die für die Konzeption des Forums verantwortlich ist. Im Gespräch erklärte sie, unter welchen Bedingungen das Kunsthaus weiterhin lebensfähig wäre.

taz: Hat sich der ganze Aufwand gelohnt? Immerhin ist das „Kunstforum“ ja eben erst mit rund 100.000 Mark auf Museumsstandard gebracht worden.

Claassen-Schmal: Wenn man jetzt die ganzen positiven Folgen und die Angebote, die sich aus der bisherigen Arbeit ergeben haben, nicht ausnutzt – dann war der Aufwand viel zu groß. Es gibt viele neue Kooperationsangebote. Wir hätten zum Beispiel die Möglichkeit, im nächsten Jahr eine Ausstellung über „Maus“ zu machen, den Comic von Art Spiegelman, eine Ausstellung, die sicher den Erfolg der Hopper-Ausstellung erreichen könnte. Ich habe das der Senatorin Trüpel in der vergangenen Woche auch schriftlich vorgelegt.

Kann man nach einem dreiviertel Jahr überhaupt sagen, ob die Idee eines „Kunstforums“ in der City funktioniert?

Nein; selbst Staatsrat Schwandner hat ja öffentlich zugegegben, daß eine solche Konzeption drei Jahre gebraucht hätte, um beurteilbar zu sein. Ganz viele Aspekte dieses Konzepts konnten noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Die Projektgruppe für einen Bremer Nachwuchsförderpreis Fotografie, die es seit vier Jahren gibt. Dabei habe ich unter anderem mit der Hochschule für Künste und der Uni zusammengearbeitet, und im nächsten Herbst hätte es die erste Ausstellung geben können. Solche Projekte waren natürlich längerfristig angelegt.

Was kann denn das Kunstforum bieten, was die GAK, die Weserburg und die Kunsthalle nicht machen? Wo ist ta4tsächlich eine Versorgungslücke?

Das hätte ausgelotet werden müssen. Über Inhalte, die man nicht hat einlösen können in dieser kurzen Zeit, kann man jetzt nicht spekulieren. Aber in diesem ganze Bereich Fotografie und Neue Medien gibt es vieles, was woanders in Bremen nicht sichtbar ist. Der Unterschied zu den anderen Häusern liegt aber vor allem in der Flexibilität. Wir können hier einfach sehr unterschiedliche Sachen präsentieren. Geplant war ja, daß die Mitarbeiterzahl wachsen und schrumpfen kann mit den jeweiligen Projekten. Diese Konzeption ist vielleicht auch von anderen Museen als Af-front verstanden worden. Impliziert ist ja im Prinzip schon eine Kritik an vorhandenen Strukturen. Ich bin der Meinung, daß die Museen heute in einer ähnlichen Strukturkrise stecken wie die Theater.

Ihr flexibles Modell wird jetzt als gescheitert dargestellt.

Ich glaube nicht, daß das Modell an sich in Frage steht. Das hat funktioniert. Aber ich habe – nachdem ich die Hopper-Austellung nach Bremen geholt hatte – in der organisatorishen Arbeit nicht ehr viel verwirklichen können. Die finanzielle Verantwortung lag da ganz bei der Kulturbehörde. Daraus hat die Behörde für sich abgeleitet, daß sie die Gesamtverantwortung hat und auch die Organisations- und Arbeitsstruktur bestimmt, bis hin zur Pressearbeit. Da hätte ich mir manche PR-Aktion besser und effektiver vorstellen können. Aber mit so einer erfolgreichen Ausstellung hat man immerhin den Schlüssel in die Hand bekommen; damit waren wir ausgewiesen, einen musealen Standard zu schaffen und entsprechende Folgeprojekte leisten zu können. Aber jetzt wird der Schlüssel erstmal weggeworfen.

Was vor allem daran liegt, daß die privaten Sponsoren kein Geld mehr gegeben haben. Ist ein „Kunstforum“ in bester City-Lage doch nicht so attraktiv?

Ich bin ja im Spätherbst vergangenen Jahres gestartet. Im Januar ist dann das Innenstadt-Strukturkonzept der Wirtschaftsbehörde veröffentlicht worden; damit hat sofort die Diskussion begonnen: Wie soll man mit diesem Areal zwischen Obernstraße und Schlachte eigentlich umgehen? Wie kann man diesen Bereich neu beleben? In dieses Gerangel bin ich mit meiner Idee mitten hinein geraten. Bis heute ist von keiner Seite eine Entscheidung getroffen worden, was hier werden soll. Die verschiedenen senatorischen Ressorts behindern sich da meiner Ansicht nach gegenseitig. Hier in der Langenstraße finden gerade Entmietungen statt, es wird freigeräumt. Und es gibt keine Sponsoren, die sich in dieser Situation festlegen wollen. Es kann ja niemand genau sagen, ob das Areal zukünftig eine rein kommerzielle Ausrichtung erhalten soll oder ob die Idee eines Kulturstandortes in der Langenstraße weiter verfolgt wird, wie es übrigens auch die Wirtschaftsbehörde will. Aber diese Entscheidung will kein Sponsor vorwegnehmen.

Ab 1996 will das Kulturressort die Idee eines „Kunstforums“ ja eventuell wiederbeleben. Was muß sich bis dahin ändern, um Sponsoren zu gewinnen?

Es muß eine Klärung geben für die Innenstadtsituation. Und nur im Zuge eines privaten Engagements für das „Kunstforum“, einer neuen, staatsfernen Initiative kann man auch weitere Sponsoren gewonnen. Sponsoren wollen ihr Geld nicht dem Staat geben. Die Kulturbehörde denkt zwar, daß sie sowas initiieren kann. Aber das muß eigentlich immer über andere Kanäle, über persönliche Initiativen laufen, nicht über die Politik. Schwandner und Trüpel haben sich hier unglaubliche Mühe geben. Aber das ist eigentlich nicht ihre Aufgabe. In einem neuen „Kunstforum“ müßten die Rollen zwischen dem Staat und einer privaten Trägerschaft neu verteilt werden. Fragen: Thomas Wolff