Über Bihać spricht hier keiner

■ In Knin, der „Hauptstadt“ der serbisch kontrollierten Krajina, sind offizielle Gesprächspartner nicht zu bekommen

Die Abfertigung durch die Grenzsoldaten der „Serbischen Republik Krajina“ an der Übergangsstelle 15 Kilometer östlich der dalmatinischen Hafenstadt Sibenik ist höflich und korrekt. Und doch wird deutlich, was sich seit dem serbisch-kroatischen Krieg geändert hat. Einer der serbischen Uniformierten bittet um ein Geschenk, die kroatische Tageszeitung Slobodna Dalmacija, die wir im Auto haben. Diese hat er vermutlich gelesen, bis Kroatien für ihn zum Ausland wurde.

Die Straße windet sich einen Abhang hinauf nach Drnis, einem regionalen Zentrum in dem ehemals mehrheitlich von Kroaten bewohnten Gebiet. Doch nun ist es in der Stadt, die zwischen zwei Schluchten auf mächtigen Felsen ruht, gespenstisch still. Kaum jemand ist zu sehen, die meisten Häuser sind zerstört, und die ausgebrannten Fensterhöhlen zeugen von den heftigen Kämpfen, die hier 1991 ausgetragen wurden.

Doch schon nach einigen Kilometern in Richtung der Krajina- „Hauptstadt“ Knin werden die Dörfer belebter, und es sind kaum noch Schäden festzustellen. Hier ist serbisches Mehrheitsgebiet. Mirko, dessen Familie „schon seit Jahrhunderten“ in Knin lebt, spricht aus, was die meisten Serben jetzt hier denken mögen: „Niemals mehr werden wir uns einem kroatischen Staat anschließen. Wir wollen einen eigenen Staat oder noch besser den Anschluß an Serbien.“

Auf den Straßen der Stadt wimmelt es nur so von Soldaten der Krajina-Armee. Vor dem Bahnhof fahren gerade einige Busse mit Zivilisten, ältere Männer, auch Frauen und Kinder, ab. Nach der Frage nach dem Ziel will niemand so richtig antworten. „Es ist Mobilisierung, und die Zivilisten sind von den neuralgischen Punkten der Demarkationslinie mit Kroatien zurückgezogen worden“, bequemt sich ein Passant zur Antwort. Die Gesichter sind angespannt, noch ist nicht klar, ob der Sieg der serbischen Truppen in Bihać Kroatien nicht zu einer Gegenreaktion herausfordern wird.

Im Pressebüro der Stadt ist auf einer Landkarte die Grenze von Großserbien eingetragen. Sie decken sich fast mit den aktuellen Demarkationslinien in Kroatien, lediglich die Stadt Zadar ist dem serbischen Gebiet zugeschlagen. In Bosnien jedoch sind die Frontlinien nur schemenhaft zu erkennen. Die Grenzen bleiben offen, die Kriegsziele sind hier noch nicht erreicht. Soll ganz Bosnien serbisch werden? Einer der Presseleute meint zögernd: „Ich mag den Krieg nicht, am besten wäre es, wenn Jugoslawien wieder entstünde. Aber zumindest werden alle Serben in einem Staat zusammenleben.“ Und er bestreitet jede Verwicklung der Krajina-Serben in den Krieg um Bihać. Lediglich die Truppen des muslimischen Abtrünnigen Fikret Abdić und bosnisch-serbische Truppen seien in die Kämpfe verwickelt.“

Schließlich werden Kaffee und Hilfe angeboten. Die Gesprächswünsche mit dem Präsidenten der Krajina, Milan Martić, und dem Militärführer Milan Celeketić werden akzeptiert, doch bleiben sie nach zwei Stunden vergeblicher Bemühungen unerfüllt. An diesem Wochenende will kein Offizieller Stellung vor der ausländischen Presse nehmen. Und auch die Militärs wollen sich nicht äußern.

Der Weg zum UNO-Hauptquartier führt an Läden und einem Markt vorbei. Die Regale der Geschäfte sind zwar nicht allzu üppig ausgestattet, Lebensmittel jedoch sind in ausreichendem Maße vorhanden. An den Marktständen werden Kleidung, Kassetten, Batterien feilgeboten. Und ein Mann will für zehn Mark ganze zwölf neue jugoslawische Dinar bezahlen.

An einer Tankstelle ist Benzin zu haben. Zwar fahren nur wenige Autos in der Stadt, meist handelt es sich um Armeefahrzeuge und Autobusse. „Wer einen derartigen militärischen Aufmarsch zustande bringt, der muß über Treibstoff in genügendem Ausmaße verfügen“, erkärt eine kenianischer UNO-Offizier. „Das Embargo Serbiens gegenüber den bosnischen Serben ist wohl löcherig.“ Die Frage, wieviel Treibstoff die UNO-Truppen in die Krajina bringen, bleibt unbeantwortet.

„Die Armee der Krajina-Serben hat zumindest mit Artillerie in die Kämpfe um Bihać eingegriffen“, korrigiert der Pressesprecher der Unprofor die von serbischer Seite gemachten Angaben. Es sei jedoch auch für die UNO schwer, die Vorgänge an der Front zu beobachten. So sei es nicht ausgeschlossen, daß auch Bodentruppen eingegriffen hätten. Im Pressebüro ist zu erfahren, daß kein Journalist die Stadt Knin verlassen dürfe. Die Zusagen, in Richtung der Front nach Bihać fahren zu dürfen, sind zurückgezogen worden. Erich Rathfelder