Nichts zu feiern auf der „Krönungsmesse“

■ Kanzler Kohl mußte beim CDU-Parteitag seine traurigen Wahlsieger aufrichten

Bonn (taz) – Die Unkenrufer hatten sich geirrt. Zu einer „Krönungsmesse“ für den wiedergewählten Kanzler nutzte die CDU gestern ihren Bonner Parteitag nicht. Mit dem Spottnamen hatte der neue Chef der Jungen Union, Klaus Escher, vor Wochen dem ersten Parteitag nach der Bundestagswahl etwas Schwung verleihen wollen. Neben anderen machte Escher Defizite der eigenen Partei aus, die auf Dauer lebensbedrohlich seien. So schnell wie möglich wollte er über Fehler und notwendige Reformen diskutieren.

Natürlich wurde Kohl gestern in Bonn mit großer Mehrheit (94,4 Prozent) wiedergewählt. Sein Ergebnis von vor zwei Jahren (91,5 Prozent) konnte der CDU-Chef, der nun länger amtiert als alle seine Vorgänger, damit sogar noch steigern. Doch zu einer Krönungsmesse gehören nun einmal ein Mindestmaß an Glanz, beeindruckende Zeremonien und eine weihevolle Atmosphäre. Von all dem war im Bonner Hotel „Maritim“ gestern rein gar nichts zu spüren.

Geschäftsmäßig ging es zu in der Veranstaltung, die sich weniger an die Öffentlichkeit als ans eigene Lager richtete. Die einzig spannende Frage war, ob die Beharrungskräfte mit ihrem Widerstand gegen das „Frauenquorum“ Erfolg haben würden. Auch die Rede des Vorsitzenden rüttelte den Saal nicht auf. Wolfgang Schäuble bekam später für seinen Bericht über die Arbeit der Bundestagsfraktion mehr Beifall als Helmut Kohl.

Zum Feiern waren die Delegierten, die doch immerhin weiter die Regierung stellen, jedenfalls nicht aufgelegt. Der Parteivorsitzende hatte sich in seiner Rede offenbar vorgenommen, die angesichts der knappen Mehrheit bedrückten Delegierten aufzurichten. Die Demokratiegefahr PDS und die angebliche Anbiederung der SPD an die SED-Nachfolgerin sowie die Leistungen der CDU im vergangenen halben Jahrhundert mußten dazu ebenso herhalten wie pure Selbstverständlichkeiten: „Wir sind zwar nicht die Größten, aber wir haben die Wahl gewonnen.“ Und Wolfgang Schäuble befand, die zurückliegende Bundestagswahl mit den Lasten der Einheit sei „objektiv die schwerste“ gewesen, „weil wir Regierungsverantwortung trugen“.

Das Verhältnis zu den Bündnisgrünen war gestern in Bonn eines von vielen Nebenthemen. Die Christdemokraten seien „für Gespräche mit allen bereit, die für neue Lösungen offen sind“, meinte Schäuble sibyllinisch und versicherte zugleich, die Union werde der FDP ein verläßlicher Koalitionspartner bleiben. RCDS-Chef Oliver Rösler empfahl, die Bildungspolitik zum Ausgangspunkt einer thematischen Zusammenarbeit zu machen. Da schlug der Parteirechte Gerhard Mayer-Vorfelder prompt Alarm. „Bündnisse mit den Grünen“, so warnte er, würden „das Selbstverständnis der CDU zutiefst berühren und sie in eine Sinnkrise stürzen“.

Die unzufriedenen Jungen klangen gestern in Bonn dagegen brav. Auf die Bestandsaufnahme und die offene Reformdiskussion müssen sie weiter warten. Kohl hatte schon im Vorfeld des Parteitags klargemacht, daß er die CDU-Delegierten erst wieder im Herbst zu einem nächsten Treffen laden will. Hans Monath