Rushdie findet einen neuen Freund

■ Bei einem Treffen mit dem Autor verspricht Kinkel, stärkeren Druck auf den Iran auszuüben

Brüssel (taz) – Salman Rushdie ist optimistisch: Die Europäische Union wolle entschlossener als bisher auf den Iran einwirken, um die gegen ihn ausgesprochene Morddrohung aufzuheben. Nach dem überraschenden Treffen gestern in Brüssel mit der sogenannten EU-Troika – den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Belgiens, die zur Zeit die Außenpolitik der EU leiten – erklärte Rushdie, daß es zum ersten Mal eine einheitliche Position aller Regierungen der EU-Mitgliedsländer gebe.

Kinkel wie auch die beiden anderen Außenminister hätten ihm fest zugesagt, erklärte Rushdie gegenüber der taz, daß die Europäische Union das Problem nicht weiter aussitzen, sondern jetzt nach einer Lösung streben werde. Seit einem Jahr richten sich Rushdies Erwartungen vor allem auf Kinkel. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran, und Kinkel hat als Vorsitzender der EU-Troika besonders großen Einfluß.

Ein ausführlicher Briefwechsel mit dem Auswärtigen Amt hatte bei Rushdie allerdings eher den Eindruck entstehen lassen, daß sich die deutsche Außenpolitik bisher am vehementesten dagegen gesträubt habe, den Ausbau der Beziehungen der EU zum Iran mit der Einhaltung grundlegender Menschenrechte und einer Absage Teherans an den internationalen Terrorismus zu verknüpfen.

Wie die neuen Schritte der EU gegen die Fatwa aussehen sollen, ist noch unklar. Offenbar sollen die iranischen Botschafter nach norwegischem Vorbild zu einer Erklärung aufgefordert werden, daß der Iran keinerlei terroristische Akte im Ausland unternehme.

Außerdem versprachen die Außenminister, von British Airways, Lufthansa und anderen Fluggesellschaften zu verlangen, Salman Rushdie zu transportieren. Die Weigerung der Lufthansa, Rushdie zu transportieren, und die zögerliche Haltung des Auswärtigen Amts gegenüber dem Autor waren im Oktober von der taz aufgedeckt worden. Gestern gab das Auswärtige Amt eine erste Presseerklärung zu Kinkels Treffen mit Rushdie heraus. Darin ist allerdings noch nicht die Rede davon, daß Kinkel über die bisherige Linie des „kritischen Dialogs“ hinausgehen will. Kinkel, heißt es da, „sicherte Salman Rushdie zu, sich weiterhin im Rahmen des kritischen Dialogs der EU mit Iran für seine Sache einzusetzen“.

Rushdie nannte gestern die anstehenden Umschuldungsverhandlungen als Möglichkeit, Druck auf den Iran auszuüben. Das Land sei tief verschuldet, brauche neues Geld und habe in letzter Zeit wiederholt Zeichen gegeben, daß es für Teheran Wichtigeres gebe als die Fatwa gegen einen blasphemischen Briten. Alois Berger