Sozialistischer Pazifist

■ Ein Dokumentenband über „Max Brauer im Exil“ erschienen

Seine erste politische Karriere endete im Frühjahr 1933. Max Brauer, Arbeitersohn aus Altona, hatte einen unvergleichlichen Aufstieg hinter sich, als ihn die Nationalsozialisten vertrieben: gelernter Glasbläser, Gewerkschafter, SPD-Stadtverordneter und mit 37 Jahren Oberbürgermeister von Altona. Zielstrebig ging er 1924 an die Verwirklichung einer Vision – das „Neue Altona“ als menschenfreundliche, soziale Stadt. Noch heute lassen damals gebaute Wohnanlagen, Schulen und Kindergärten seine Handschrift erkennen.

Dann kamen die Nationalsozialisten und für Max Brauer begann eine lange Zeit im Exil: von März 1933 bis Juli 1946 mußte er im Ausland leben, um nicht in einem der Lager zu verschwinden. Anfangs ging es ihm wie so vielen anderen Hitlerflüchtlingen: Brauer hielt die Nazi-Herrschaft nur für einen vorübergehenden Spuk. In Paris traf er prominente Genossen, ebenfalls ungeliebte Gäste, hilflos in diesem Land mit unbekannter Sprache. Sie alle mußten wieder neu und ganz unten anfangen. Doch der erfahrene Polit-Organisator hatte Glück: im Dienst des Völkerbundes reiste er 1933 nach China, um in der Provinz Kiangsi eine effiziente Verwaltung aufzubauen. Ein Jahr lebte er in Nanking, dann erwies sich die Arbeit als undurchführbar. Zu weit lagen preußisches Verwaltungssystem und chinesische Tradition auseinander.

Die Rückkehr nach Europa war nur Zwischenstation, Tiefstand seines Lebens: der Besitz in Deutschland beschlagnahmt, ausgebürgert und steckbrieflich gesucht, war Brauer in Paris ohne konkrete Ziele: „Nun stehe ich wieder einmal vor dem Nichts. Die von uns geglaubte Solidarität gibt es nicht in allen Ländern.“ Politische Freunde retteten ihn vor der Abschiebung, dann lud ihn der American Jewish Congress zu Vorträgen in die USA ein. Zehn Jahre blieb Max Brauer mit seiner Familie in Amerika, reiste durchs Land und sprach über Judenverfolgung, Arbeiterbewegung, Fragen der Religion und der Kommunalverwaltung. Im Sommer 1946 gestatteten die Alliierten seine Rückkehr, und bereits im November war er wieder Bürgermeister – jetzt für ganz Hamburg.

155 Dokumente aus dieser Zeit – Briefe von und an Brauer, daneben einige Redetexte – liegen jetzt in einem Buch vor. Sie spiegeln Optimismus und Enttäuschung des vertriebenen Politikers, Hoffnungen und Zweifel: Zeugnisse aus der Erbärmlichkeit des Exils, Dokumente vom Durchhaltewillen, vom Glauben an die Richtigkeit der eigenen Weltanschauung, Träume vom „neuen, republikanischen, sozialistischen und pazifistischen Deutschland.“ Zusammen mit der ausgiebigen biographischen Einführung ergeben sie das faszinierende Porträt eines großen Hamburger Politikers. Kay Dohnke

Christa Fladhammer/Michael Wildt (Hrg.): Max Brauer im Exil. Briefe und Reden aus den Jahren 1933 – 1946, Christians Verlag, 359 S., 42 Mark