Fleischbeschau: „Weniger schön, weniger Gehalt“

■ Prozeß wegen Menschenhandel: Thailänderin belastet Hamburger Club-Besitzer

Von der Fleischbeschau im Badezimmer bis zur körperlichen Bedrohung: Die Thailänderin Malee (Name geändert) schilderte gestern vor der Großen Strafkammerr 12 die Methoden, derer sich der Hamburger Kiez bei Angestellten ihrer Thai-Clubs bedienen. Mit ihrer Aussage ist die 32jährige Frau seit Jahren die erste Thailänderin, die den Mut aufbringt, öffentlich gegen ihren Zuhälter auszusagen (taz berichtete).

Aber nicht nur Zuhälterei und Förderung der Prostitution, wie auf der Anklageschrift gegen Oliver G. und Jens-Holger R. aufgeführt, werden verhandelt – dem dritten Beschuldigten, Dragomir J., wird außerdem schwerer Menschenhandel vorgeworfen. Ein heikler Anklagepunkt: Nicht nur, daß dem zuständigen Hamburger Polizeidezernat für Milieukriminalität (LKA 242) seit jeher Zeuginnen fehlen, die die Kiez-Größen hinter Gitter bringen könnten – fast alle Frauen sind derart eingeschüchtert, daß sie die Aussage gegen ihre Peiniger verweigern. Der Menschenhandel-Paragraph wurde zudem erst kürzlich reformiert – noch vor wenigen Jahren war kein Menschenhändler, wer eine Frau, die bereits in ihrer Heimat ihren Körper verkauft hatte, in der Fremde zur Prostitution nötigte. Heute liest sich Absatz 3 des Paragraphen 181 so: „Wer eine andere Person gewerbsmäßig anwirbt, um sie in Kenntnis der Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen, wird mit einer Freiheitstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.“

Malees Aussagen waren jedoch deutlich: Sie schilderte, wie sich Drago, Besitzer mehrerer Thai-Clubs, in Thailand als Anwerber betätigt. Er habe an einem Anwerbegespräch teilgenommen, bei dem sie sich, so Malee, vor ihm im Badezimmer entkleiden mußte. „Wenn eine Frau nicht so schön ist, gibt es weniger Gehalt“, so ihre Erklärung. Damals habe Drago ihr 2000 Mark Monatslohn und freie Miete versprochen und dies für Tanz und Getränke-Animation.

Auf dem Flughafen in Thailand hatten sie und vier andere Frauen im April 1993 von der Anwerberin ihre Flugtickets erhalten. In Hamburg präsentierte man ihr dann an ihrem Arbeitsplatz auf der Großen Freiheit, dem Pattaya Beach Club, die Rechnung für den Vertrag: 10.000 Mark, die sie monatlich mit mindestens 500 Mark abzahlte. Außerdem erhielt sie statt der versprochen 2000 Mark im Monat täglich 70 Mark ausgezahlt – am arbeitsfreien Sonntag und im Krankheitsfall auch dies nicht. Dafür mußte sie aber 350 Mark Miete zahlen, außerdem wurden ihr monatlich 500 Mark Steuern abgezogen. Orderte ein Kunde eine Flasche Schampus für 300 Mark, mußten die Frauen Sex mit ihm machen – für ihre Dienste bekamen sie 120 Mark.

Als sie vorübegehend in einem anderen Club arbeitete, begann Drago Malee zu drohen. „Ich kann jeder Thailänderin ins Gesicht schlagen“, habe er gesagt; einmal habe er sie auch gewürgt. So sei sie wieder in den Pattaya Beach Club gewechselt – „ich mußte noch meine Schulden abarbeiten.“

Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Claus Rabe eine Kollegin Malees befragt: Diese zeigte sich jedoch völlig eingeschüchtert. Erst nach Stunden gab sie zu, daß sie mit ihren Kunden Geschlechtsverkehr gehabt hatte – „aber nur, wenn ich sie mochte“. Aber das zu tun, habe jeder Frau freigestanden. Und – selbstredend – Drago habe sie nicht dazu angewiesen. Der Prozeß wird fortgesetzt. Sannah Koch