Malaria-Skandal: Senatorin gerät immer stärker unter Druck

■ Fischer-Menzel verschwieg Vorwürfe gegen ihre Behörde / CDU fordert ihren Rücktritt, GAL ein Ethik-Gesetz

Im Skandal um den Tod von fünf Malaria-Patienten des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) rückt Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel in den Mittelpunkt der Kritik. Zwar hatte sie nach dem Hinweis eines jungen Arztes das Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis hieß: Die Todesfälle hätten verhindert werden können. Zwar war sie selbst am vergangenen Freitag mit dieser Aussage an die Öffentlichkeit gegangen. Doch was die Behördenchefin dieser zukommen ließ, war nur die halbe Wahrheit.

Unerwähnt blieben die Vorwürfe, die Gutachter Eichenlaub der Gesundheitsbehörde um die Ohren schlug: Die Ausstattung der 65-Betten-Abteilung sei so mangelhaft, daß Vorkommnisse wie der Tod der fünf Malaria-Kranken „auch künftig prinzipiell nicht vermeidbar“ seien. Der Münchener Professor kritisierte das Fehlen einer Intensivstation sowie „apparativer Einrichtungen“ für aufwendige Untersuchungen, was problematische Transporte von Patienten in andere Häuser notwendig mache. Zudem reiche „die kritische Zahl der Ärzte“ nicht aus, „um in den Nacht- und Wochenenddiensten jeweils die volle Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz zu garantieren“. Die „Beibehaltung des jetzigen Zustandes“, so Eichenlaub zusammenfassend, „könnte m. E. als Organisationsverschulden des Trägers angesehen werden“.

Während die Senatorin gestern schwieg – sie will erst heute in der Bürgerschaft Stellung nehmen – forderte die CDU gestern ihren Rücktritt. Fraktionschef Ole von Beust: „Wer faustdick lügt, hat im Senat nichts zu suchen.“ Wenn die Senatorin nicht von selbst gehe, sei ein konstruktives Mißtrauensvotum gegen sie vorstellbar.

Auch die Ärztekammer schießt sich auf Fischer-Menzel ein: Die Senatorin habe „von eigenen Unzulänglichkeiten und Organisationsfehlern“ ablenken wollen. Geichzeitig wies der Kammer-Vorstand Vorwürfe zurück, er habe trotz entsprechender Hinweise die Behandlungsfehler im BNI nicht erkannt. Überprüfungen im Jahre 1992, so der Sprecher der Ärzteschaft, hätten „keinen Anhalt für berufsrechtliche Verfehlungen ergeben“. Offen bleibt jedoch, wieso die Kammer über den schwerwiegenden Verdacht nicht die Gesundheitsbehörde informierte, bei der bis zum Oktober 1993 die Berufsaufsicht über die Hamburger ÄrztInnen lag. Personalrat und AssistenzärztInnen des BNI hingegen sind sauer auf Fischer-Menzel, weil sie von den Ergebnissen des Eichenlaub-Gutachtens erst aus den Medien erfahren hätten.

Die Hamburger GAL hob gestern einen anderen Aspekt des Skandals hervor: Sie forderte ein Ethik-Gesetz. „Genehmigung und Kontrolle von Versuchen am Menschen müssen dringend neu geregelt werden“, sagte GAL-Gesundheitsexperte Peter Zamory. Mindestens drei der gestorbenen Malaria-Patienten waren ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung zu Versuchszwecken mit dem Durchblutungsmittel „Trental“ behandelt worden – was vermutlich zu zusätzlichen Schädigungen der Kranken führte.

Unterdessen hat gestern erneut eine Witwe eines der Toten Schadensersatzansprüche an die Stadt gestellt. Aus dem Eichenlaub-Gutachten gehe hervor, so ihr Anwalt Wilhelm Funke, daß ihr Mann zwei Tage zu spät in die Intensiv-Station des AK Altona gebracht worden sei.

Claudia Hönck

Siehe auch Bericht Seite 4