Aus Not zugestochen?

■ Freispruch für Müll-Messerstecher Benutzer fremder Mülltonnen

„Freispruch“ heißt das Urteil für den Mann, der im Verlauf eines Streits um Müll, einen anderen Mann im Frühjahr mit einem Bajonett erstach (siehe taz vom 22.11.94). Der Angeklagte Hermann K. rieb sich die Freudentränen aus den Augen. Darauf hatte er nicht zu hoffen gewagt. Der Staatsanwalt hatte kurz zuvor auf 4 Jahre und 8 Monate Haft plädiert.

Denn entgegen der Meinung des Gerichts, sah der Staatsanwalt keine Notwehr vorliegen. Aus seiner Sicht der Dinge entsprach die Tat einer Körperverletzung mit Todesfolge. Doch das Schwurgericht war gestern zu der Meinung gekommen, daß man das Tatgeschehen im nachhinein nicht hat auflösen können. Wie und wann das todesbringende Messer in den Bauch von Willi B. gerammt wurde, weiß niemand. Daher sprachen sie das Urteil zugunsten des Angeklagten.

Dem Infernale vorausgegangen war der übliche Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Nachbarin - die Pächterin der Kneipe im selben Haus - darüber, daß Hermann K. seinen Müll in ihre Mülltonne steckte. Die Pächterin stellte ihn am Tat-Tag zu Rede, weil die damalige Hausbesitzerin ihn verpriffen hatte. Ein Kneipengast hatte den Streit der beiden Frauen mit Hermann K. angehört, und war dazugekommen. Offenbar wurde die Gruppe laut und war erregt, und es gab ein Handgemenge, in dessen Verlauf Hermann K. von dem Kneipengast Willi B. geschubst und geschlagen wurde. Dann ging der Angeklagte in seine Wohnung. Als er später wieder auf den Flur ging, hatte er das Messer in der Hand.

„Letztendlich wissen wir nicht, was Sie bewegt hat, mit diesem gefährlichen Messer wieder nach draußen zu gehen“, sagte Hilka Robrecht, Vorsitzende Richterin. Das Gericht geht davon aus, daß er eine Drohgebärde machen wollte, und als er von Willi B. vielleicht - aber genaues weiß man nicht - in den Schwitzkasten genommen wurde, müsse er mit dem Messer zugestochen haben. Durfte er das Messer einsetzen? Doch, fand das Gericht, das durfte er. vivA