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Spielereien auf dem Rücken des Tempodrom

■ Irene Moessinger, Betreiberin des Kulturzeltes Tempodrom, zur Weigerung der Kreuzberger Grünen, dem ehemaligen Anhalter Bahnhof als neuem Standort zuzustimmmen

Heute abend will die Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung darüber entscheiden, ob dem Tempodrom der Anhalter Bahnhof als neuer Standort angeboten wird. Während die SPD dafür ist, haben Bündnis 90/Die Grünen und CDU bereits ihre Ablehnung signalisiert. Sie wollen das 60.000 Quadratmeter große Gebiet als Grünfläche erhalten. Das Kulturzelt im Tiergarten, das künftig in einem Gebäude untergebracht werden soll, muß bis 1996 wegen des Regierungsumzugs weichen. Am Montag versuchte Tempodrom-Betreiberin Irene Moessinger, die Bündnisgrünen noch einmal umzustimmen.

taz: Die SPD plädiert für den Anhalter Bahnhof. Wie waren die Reaktionen darauf bei CDU und Bündnis 90/Die Grünen?

Irene Moessinger: Ich war sehr beeindruckt – und zwar von der Form, wie heute Politik gemacht wird. Leider hat nur die SPD begriffen, was der Standort auf dem Anhalter Bahnhof für uns, für die Kultur und Berlin bedeutet. Die Reaktionen bei der CDU waren zwar wohlwollend, aber es herrscht in großen Teilen noch die Meinung vor, ein alternatives Projekt gehöre in den Hinterhof und nicht auf ein so attraktives Gelände. Bei den Grünen ist es, gelinde gesagt, ganz schwierig. Mir wurde mißtrauisch, ja aggressiv begegnet. Das finde ich besonders fatal, wo wir doch alle aus derselben Bewegung kommen: die Grünen und das Tempodrom. Aber statt sich mit unserem Projekt auseinanderzusetzen, werden Argumente vorgebracht, die in sich nicht stimmig sind. Ich bin enttäuscht, daß die Grünen-Vertreter in der BVV nicht verstehen, welche Chancen Kreuzberg durch unser Projekt, das nach ökolgischen Standards gebaut werden soll, erwächst.

Sie könnten doch auf das Gelände am Schlesischen Busch ausweichen, das Ihnen vom Bezirk Treptow angeboten wird und nur wenige Meter von Kreuzberg entfernt liegt.

Dieses Argument wird auch von den Grünen vorgebracht. Sie werfen uns vor, wir würden auf dem Anhalter Bahnhof Grünflächen regelrecht platt machen. Das ist eine maßlose Übertreibung. Von den 60.000 Quadratmetern beanspruchen wir lediglich 6.000 Quadratmeter. Davon wird wiederum rund ein Drittel begrünt. In meinen Augen spricht die Bündnisgrünen-Fraktion mit gespaltener Zunge: Der Schlesische Busch ist immerhin einer der ältesten Parks Berlins, dort wurde vor kurzem ein Grünzug angelegt, auch dort müßte der Boden versiegelt werden. Es ist doch so: Der Schlesische Busch ist ein Park, der Anhalter Bahnhof derzeit eine Ödnis.

Was spricht für Kreuzberg?

Am Schlesischen Busch ist unser derzeitiges Konzept nicht zu verwirklichen. Der Anhalter Bahnhof hingegen liegt phantastisch, hat eine hervorragende Anbindung an die öffentlichen Nahverkehrsmittel. Zudem plädieren viele Sponsoren, die wir für unsere künftige Stiftung gewinnen wollen, für einen attraktiven Standort. Und da rangiert der Schlesische Busch erst an zweiter Stelle. Meine Vermutung ist: Den Grünen geht es um parteipolitische Spielereien, die auf unserem Rücken ausgetragen werden. Man gönnt offenbar dem SPD-Bezirksbürgermeister Peter Strieder den Erfolg nicht. Das finde ich, schlicht gesagt, nicht integer. Interview: Severin Weiland

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