■ Düsseldorfer Diplomingenieur entwickelt Beichtprogramm
: „Online with Jesus“

Düsseldorf (taz) – Viermal Bürogebet für zwei mal fünf Minuten Mobbing, sechs Windows unser für jeweils eine Raubkopie. Gekniet wird vor dem Bildschirm, mit der Maus in der Hand wird sich bekreuzigt. Der Düsseldorfer Hartmut Landwehr hat ein Beichtprogramm entwickelt, das ganz ohne Modem mediale Verbindung zur Dreifaltigkeit herstellt: Gib deine Sünde ein, bewerte sie laut Sündenskala von eins bis hundert und bete. Froh kannst du dann nach Hause gehen, also weiterhacken oder fremden Göttern huldigen.

Doch „Online mit Jesus“, so der Name des Programms, soll beileibe nicht nur sündenbeladenen Computerfreaks das Gewissen erleichtern. Dem Katholiken und PR- und Werbeprofi Landwehr geht es um die Moral im allgemeinen. Die armen Seelen sollen sich in Ehrlichkeit üben, unrechte Taten und Gedanken und deren Grad des Bösen selbst einschätzen und dann entsprechend Buße tun. „Self-Management“ nennt er das. Ist dies endlich die Alternative zum mittelalterlich geschnitzten Beichtstuhl im schon ausgehenden 20. Jahrhundert?

„Da offenbart sich doch ein sehr mechanisiertes Beichtverständnis“, bemerkt der Referent der Zentralstelle Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz, Ernst Werner. Das Thema Beichtcomputer fällt in sein Ressort. Werners erster Kommentar („ein Witz“) hat sich inzwischen präzisiert: „Herr Landwehr hat ein großes Stück zeitgeschichtliche Entwicklung der Beichte vergessen, die sich nicht nur an Fakten, sondern an Beziehungen, Einstellungen und vor allem an einer umfassenden Gewissensbildung orientiert.“ Ernst Werner fehlt die Reueleiste im Programm. Und überhaupt könne eine Maschine keinen Menschen, also Beichtvater, ersetzen. Gerne würde der Sakramentespezialist den Programmierer ignorieren, hat sich aber inzwischen auf ein Treffen mit ihm eingelassen, um „Mißverständnisse zu klären, das ist doch nur fair“.

Hartmut Landwehr freut sich über das Interesse von seiten der Kirche: „Da bin ich nun in Gesprächen, und da werden wir diskutieren, wie sich die Reuekomponente binär umsetzen läßt.“ Daß „Online mit Jesus“ mit seiner bislang streng analogen Sünde-Buße-Herangehensweise zu schwach ist, weiß nämlich selbst Landwehr. Er will ja sein Produkt auch auf den Markt bringen, und dafür gibt er sich nach außen betont naiv-gläubig und missionarisch. Für 100 Mark will er seine „Beichthilfe“ – „absolve te“ würde er ja nie einbauen – vielleicht gar über die Kirche vertreiben, einen Teil des Erlöses an Spendenorganisationen abgeben, und sowieso passe „Online mit Jesus“ bestens in die „Neuerung in der Kommunikation in der Kirche“. Hartmut Landwehr schwebt die CD-ROM vor Augen, das interaktive Gotteslob und die interaktive Messe. Daß dazu zwei oder drei in Gottes Namen versammelt sein müssen, damit er überhaupt unter ihnen ist, das ist laut Landwehr kein Hindernis, sondern grundsätzlich möglich über „jet mode im compi serv“.

Während also der Sündensammler auf eine Art deutsches Sündenbarometer hinarbeitet („Ich will wissen, was an Sündenpotential vorhanden ist; vieles kenne ich ja gar nicht“), wandern pittoreske Heiligenbildchen (in Blau?) bei bußwilligen Entgleisten über den Bildschirm. „Herr, vergib mir“ ist das immer rettende Codewort, und das „Amen“ führt vom Bekreuzigungszeichen zum Sündenregister. Kommunikationspsychologisch wahrheitsgetreu. Nur der Segen fehlt. Den wird die katholische Kirche, so Werner, der „Online mit Jesus“-Beichte nie erteilen. Dafür gab ihn Hartmut Landwehr der taz mit auf den Weg: „Gott sei mit Ihnen.“ Silvia Plahl