■ In Bosnien ist die Diplomatie am Ende und macht weiter
: Neue Signale an Karadžić

Das Chaos ist komplett, der Scherbenhaufen nicht mehr zu übersehen. Nun melden sich alle zu Wort: Schäuble will über eine Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien-Herzegowina nachdenken, Kinkel warnt hingegen vor einem Flächenbrand und besteht auf einer politischen Lösung, der CDU-Parteitag fordert geschlossen den Einsatz von Nato-Bombern in Bihać, wozu der UN-Sicherheitsrat sein Plazet nicht gibt. In Paris beraten die WEU-Parlamentarier über die Bildung einer Schnellen Eingreiftruppe der Nato. In Brüssel bekräftigen die EU-Außenminister, daß auf dem Schlachtfeld geschaffene Tatsachen nicht hingenommen werden. Und der Sprecher des State Departements in Washington meint, daß man Karadžić ein neues Angebot unterbreiten müsse.

Hätte es noch eines Beweises bedurft, die politische Kapitulation der UNO in Bihać lieferte ihn. Zwischen militärischer Intervention und politischen Verhandlungen gibt es nur einen dritten Weg: internationaler Rückzug vom Balkan in der vagen Hoffnung, daß es nicht wie im 17. Jahrhundert 30 Jahre dauert, bis der Krieg ausblutet. Doch soweit ist die Diplomatie noch nicht. Da eine militärische Intervention (was inzwischen die massive Entsendung von Bodentruppen bedeutet) niemand will, auch die USA nicht, bleiben nur Verhandlungen. Und da die bosnisch-serbische Seite die einzige ist, die den Friedensplan abgelehnt hat, bleibt, will man Erfolg haben, eben nur ein weiteres Nachgeben just dieser Seite gegenüber. Daß es sich dabei um den Aggressor handelt, mag Moralisten stören. Daß man noch im Sommer den damals nachgebesserten Friedensplan den Serben als allerletztes Angebot verkaufte, was kümmert den Realpolitiker der Schnee von gestern? Schon spricht der französische Außenminister Juppé von einer notwendigen „Aktualisierung des Friedensplans“.

So schlägt nun also wieder die Stunde der Landkartenzeichner, Vermittler und Unterhändler. Analog zur kroatisch-bosnischen Konföderation, die es bislang nur auf dem Papier gibt, wird man den bosnischen Serben die Konföderation mit Serbien anbieten. Nach einer Schamfrist könnte man dann das doppelt konföderierte Bosnien-Herzegowina zwischen Serbien und Kroatien aufteilen. Der Krieg wäre zu Ende. Es bliebe das Problem von etwa zwei bis drei Millionen Flüchtlingen, das man ja durch einen Bevölkerungsaustausch regeln könnte – es geht, die Türken und Griechen haben es nach dem Ersten Weltkrieg, die Nationalsozialisten später bewiesen. Und es gäbe dann wohl einen endemischen muslimischen Terrorismus. Auch damit kann man leben. Die politische Alternative zu dieser Perspektive hieße wahrscheinlich ein UN-Protektorat für ganz Bosnien-Herzegowina. Doch das kostet mehr Geld, als die UNO aufbringen kann, mehr, als ihre wichtigsten Staaten in Bosnien investieren wollen. Thomas Schmid