Die türkische Seele kocht über

■ Konsulats-Mitarbeiter nach Gröpelinger Anschlägen: Senatorin Trüpel ist eine Terroristin

„Wir sind am Ende unserer Geduld“ und „Nieder mit den tauben Politikerinnen in Bremen“ stand auf zwei Transparenten, unter denen gestern nachmittag der Vorstand des „Türkischen Zentralverbandes“ seine Schlußfolgerungen aus den beiden Brandanschlägen gegen türkische Vereine in Gröpelingen zog. Gut 100 Männer drängten sich in dem nur durch Zufall von den Flammen verschont gebliebenen Vereinslokal von „Vatan Sport“. Insgesamt sind im Türkischen Zentralverband 20 Vereine mit zusammen gut 4.000 Mitgliedern zusammengeschlossen. Er wird vom türkischen Konsulat, nicht aber von den meisten türkischen, alevitischen und kurdischen Vereinen und Moscheen als Interessenvertretung aller 30.000 in Bremen lebenden TürkInnen anerkannt.

„Wir fordern den Rücktritt von Helga Trüpel und der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill“, erklärte der Vorsitzende des Verbandes, Aydin Findikçi, unter lautem Applaus der versammelten Gröpelinger Türken. Denn Helga Trüpel habe mit ihrem Versuch, türkische und kurdische Vereine an einen „Runden Tisch“ zu bringen, „die PKK unterstützt“. Findikçi: „Und jeder, der die PKK unterstützt, ist ein Terrorist. Diese Politik wollen wir nicht länger mit unseren Steuergeldern bezahlen.“

Zwischen Türken und Kurden „gab es nie einen Konflikt“, beteuerte der Verbands-Vorsitzende, der hauptberuflich Mitarbeiter des Bremer Honorargeneralkonsulats der Türkei ist, „die Brandanschläge sind deshalb auch nicht Folge eines Konfliktes, wie Helga Trüpel sagt, sondern der Versuch von Terroristen, einen Konflikt zu schaffen“. Und überhaupt habe sich eine Bremer Senatorin „nicht um innertürkische Angelegenheiten zu kümmern“.

Trüpel und Lill müßten schließlich auch deshalb zurücktreten, weil sie „nicht türkenfreundlich“ seien und „nie etwas für Türken getan“ hätten, hieß es auf der Versammlung. Insbesondere sei immer wieder eine finanzielle Förderung des Türkischen Zentralverbandes abgelehnt worden. An einer Eskalation der Auseinandersetzung mit kurdischen Organisationen habe allerdings niemand Interesse. Findikçi: „Es wird von Türken jetzt keine Racheakte geben.“

Unterstützung fand die Position des Türkischen Zentralverbandes bei Ronald-Mike Neumeyer, CDU-Abgeordneter in der Bürgerschaft. In der Dezember-Sitzung des Parlaments will die CDU aus Anlaß der Gröpelinger Anschläge die Fortsetzung der Abschiebungen von Kurden in die Türkei beantragen.

Gestern vormittag war Neumeyer auf einer Sitzung des Ausländerausschusses auch dafür eingetreten, den Türkischen Zentralverband mit 75.000 Mark aus dem Haushalt des Dachverbandes der Ausländerkulturvereine (DAB) zu fördern. SPD und Grüne hatten das jedoch abgelehnt. „Es ist seit langem Linie des Bremer Senats, Ausländerkulturarbeit nationenübergreifend durch einen Zuschuß für den DAB zu fördern“, sagte Ausländerintegrationssenatorin Helga Trüpel zur Begründung. Verbände einer einzigen Nationalität würden nicht institutionell gefördert. Sie können allerdings – wie jeder andere Verein auch – Mittel für konkrete Projekte beantragen.

Der Türkische Zentralverband hatte das in diesem Jahr auch erstmals getan, dann die bereits bewilligten 10.500 Mark für Projekte im Kinder- und Jugendbereich aber wieder zurückgewiesen. Verkündet wurde diese Entscheidung auf einer CDU-Veranstaltung mit Bernd Neumann eine Woche vor der Bundestagswahl. Unabhängig davon erhalten aber einzelne Mitglieder des Türkischen Zentralverbandes durchaus staatliche Zuschüsse, so zum Beispiel „Vatan Sport“ allein in diesem Jahr 340.000 Mark aus Mitteln der Sport- und Städtebauförderung.

Empört wies die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill auf der Gröpelinger Versammlung die Vorwürfe zurück, Bremen würde nichts für Türken tun. „Es ist noch viel zu wenig, was insgesamt für Ausländerintegration zur Verfügung steht“, sagte sie, „aber die vorhandenen Mittel werden gerecht verteilt.“ Der DAB als „multinationaler Zusammenschluß“ sei dabei bundesweit vorbildlich.

„Unglaublich und unverantwortlich“ nannte Lill schließlich den Vorwurf, der Versuch, über „Runde Tische“ mit kurdischen und türkischen Vereinen ins Gespräch zu kommen, sei eine Ursache für die Gröpelinger Brandanschläge. Neben dem Zentralverbands-Vorsitzenden hatte dies auch Bremens türkischer Honorargeneralkonsul Karl Grabbe in einer Erklärung behauptet. Lill an Findikçi: „Sie mißbrauchen den schrecklichen Anschlag für Polemik und gießen noch Öl ins Feuer.“

Senatorin Helga Trüpel konnte sich nicht direkt zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußern. Sie hatte zwar zunächst ebenfalls ein Gespräch mit dem Türkischen Zentralverband für gestern nachmittag vereinbart, war dann aber kurzfristig wieder ausgeladen worden.

Ase