Standbild: Frau-Im-Spiegel-TV
■ "Die Rufmord-Kampagne" / Spiegel-TV: "Die Prinzessin auf der Erbse"
„Die Rufmord-Kampagne“, Dienstag, 22.30 Uhr, WDR 3;
Spiegel-TV: „Die Prinzessin auf der Erbse“, 23.10 Uhr, Sat.1
Selbst im Sommerloch, wenn im Land rein nichts los ist, müssen die Zeitungsseiten gefüllt werden. Da kommt eine Rufmord- Kampagne gerade recht. Ulrike Wischer hat in ihrer WDR-Doku ein besonders perfides Beispiel untersucht: Im Sommer 1991 lancieren Unbekannte eine Todesliste mit 52 Namen aus der Klinik Waldbröl, um dem Chirurgen Bernd Kessler zu schaden.
Die Liste fällt nicht nur bei den Medien auf fruchtbaren Boden, sondern auch bei dem ehrgeizigen SPD-Bundestagsabgeordneten Friedhelm-Julius Beucher. „Ich habe ja immer gesagt, daß ich nicht weiß, was mit diesen Vorwürfen ist“, erklärt er heute. 1991 wußte er das noch genauer. Da meinte er noch zu wissen, daß „es dort zu Dingen gekommen ist, die ich vorsichtig als Unregelmäßigkeiten bezeichnen möchte“. Die schnelle Schnittfolge zwischen den Schwarzweißbildern seiner Pressekonferenzen von 1991 und dem in Farbe aufgezeichneten Interview drei Jahre später illustriert das getrübte Erinnerungsvermögen des karrieresüchtigen Abgeordneten recht eindrucksvoll. Bis heute hat er verschwiegen, wer ihm die Todesliste zugespielt hat.
Es dauert drei Jahre, bis Kessler und die Klinik Waldbröl rehabilitiert sind. Das interessiert die Rufmörder von damals freilich nicht. Niemand berichtet, weder die Altmeisterin des Rufmords, die Bild, noch der Expreß, nicht die Praline oder die Neue Revue – und schon gar nicht Spiegel-TV, das damals einen Toten erfand, der angeblich schon eine Viertelstunde im Jenseits war, bevor er vom Klinikpersonal gefunden wurde.
In Anbetracht dessen wundert man sich dann auch nicht über die Reportage „Prinzessin auf der Erbse“, die am gleichen Abend im Spiegel-TV gezeigt wurde – ein völlig belangloses Filmchen über Prinzessin Diana, das aber nicht ohne die altbewährten dunklen Andeutungen auskommt: Die Autoren Mike Brennan und Trevor Philips reportieren die sattsamm bekannte Geschichte von dem Bekannten der Prinzessin, der angeblich anonyme Anrufe aus dem Buckingham-Palast erhielt. Spiegel-TV heuchelt Mitleid mit Lady Di, dem „Freiwild auf der Flucht vor ihren Häschern“, zu denen aber doch auch das Spiegel-Kamerateam gehört. „Yellow-Press- Fernsehen“ nennt man das wohl – oder „Frau-im-Spiegel-TV“. Ralf Sotscheck
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