Prinzip Vergeltung

■ betr.: „Zögerlich und zaghaft“, taz vom 21. 11. 94, „Nato bombar diert Serben-Flugplatz“, taz vom 22. 11. 94

Nach dem völligen Versagen der restlichen Welt, den fürchterlichen Krieg auf dem Balkan mit politischen Mitteln zu begrenzen, einigte man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: „Haut den Lukas“ oder: „Lieber etwas Sinnloses, als gar nichts tun!“ Auch Herr Schmid bedauerte in seinem Kommentar offenbar die „zögerliche und zaghafte“, heißt wohl militärisch zu lasche Haltung der Nato und wird sich jetzt etwas beruhigter zeigen können, nachdem „die Nato... zum ersten Mal massiv in den Krieg... eingegriffen“ hat. [...]“

Gewalt führte schon immer zu Gegengewalt, im Atomzeitalter kann die sich hochschraubende Gewaltspirale sehr schnell zum Genozid führen. Was würde ein Präsident Schirinowski zur Bombardierung der Serben sagen? Wie rücksichtsvoll handeln offenkundige Verlierer, wenn ihr letztes Stündchen geschlagen hat? Wie schnell können sich lokale Krisenherde auf große Regionen ausdehnen, wenn die politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen das zulassen? Selbst wenn die Verzweiflung angesichts des Elends in den Kriegsgebieten und die Wut über das trickreiche Ausmanövrieren aller am Vermittlungsprozeß Beteiligten noch so groß sind, es gibt keine gerechten Kriege!

Der einzige Weg in Richtung auf eine Besserung der Situation ist der politische. Und hier gilt es endlich Vernunft zu beweisen und in der Wahrnehmung des nächst höheren Ganzen die unterschiedlichen, zum Teil divergierenden Partikularinteressen der beteiligten Handlungsführer (Nato, EU, UNO, USA) unter einen Hut zu bekommen. Wer hat denn mit welcher Intension dafür gesorgt, daß den Serben nach jahrelangem Krieg immer noch nicht das Benzin, der Strom, die Lebensmittel ausgegangen sind? Wieso werden Embargobrecher von den anderen Mitgliedsstaaten nicht geächtet und ebenfalls mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt? Ohne eine Überwindung der Angst, etwas zu verlieren (Geld, Macht, Selbstachtung), werden wir dem Gemetzel weiter hilflos zusehen müssen oder gar daran teilnehmen. Der „Papiertiger“ muß sich entscheiden, ob er zum reißenden Menschenfresser mutieren oder sich zum Homo sapiens aufrichten soll! Bernd Höppner, Freiburg