Schwarzer Abt und alte Bekannte

■ Der Spielplan will es so: Profifußball-Städtekampf zwischen Hamburg und Frankfurt findet dieses Wochenende statt

Die Hamburger Profi-Kicker liegen am Wochenende im Clinch mit den Frankurter Berufskollegen. Der HSV fährt morgen zur Eintracht, St.Pauli erwartet den Neuling FSV (Sonntag, 15 Uhr).

Der Gang des HSV könnte zur brisanten Visite werden. Im Waldstadion (15.30 Uhr) stehen sich einige alte Bekannte gegenüber, die sich nicht mehr richtig liebhaben. Zudem enttäuschte die Eintracht bislang unter dem ehrgeizig-farblosen Josef Jupp Heynckes und sinnt auf Besserung. Im HSV-Tor steht der am Mainufer geschaßte Uli Stein, Eintrachts Jan Furtok versucht recht bescheiden an erfolgreiche Hamburger Zeiten anzuknüpfen. Unter den Frankfurter Querelen der letzten Saison litt nicht nur die Männer-Freundschaft der Weggefährten Stein und Furtok. Mit Ralf Weber verbindet Stein gar eine abgrundtiefe Antipathie. Kann der explosive Stein – mit 40 Jahren angeblich ins Stadium der Läuterung eingetreten – unter solch gewaltigem Beziehungsstreß seine Contenance bewahren?

Unter Beweisnot steht auch Thomas Doll: Einst zog er von der Elbe ins vermeintliche Lira-Paradies Italien, um den exemplarischen Aufstieg eines Ost-Fußballers zu krönen. In Frankfurt blieb er bislang den Nachweis schuldig, das Leder genauso steil spielen zu können wie Uwe Bein. Jörn Andersen – vor vier Jahren bei der Eintracht noch Bundesliga-Torschützenkönig – trifft beim HSV überhaupt nicht mehr. Findet er ausgerechnet gegen die Hessen das Tor wieder?

Eine Klasse tiefer ist FC St. Pauli haushoher Favorit gegen die Kellerkinder des FSV Frankfurt, der als einziges Profi-Team noch nicht weiß, wie man Fußballspiele gewinnt: Sieglos und mit nur 3:27-Punkte sind die Hessen einsames Schlußlicht in Liga zwo. Vor fast 70 Jahren konnte der FSV ins Meisterschafts-Finale ziehen – aber ist es legitim, noch heute von längst verblichenem Ruhm zu zehren? In der Saison 1982/83 versuchte sich der FSV schon einmal in der Zweitklassigkeit zu halten. Erfolglos. Das wird wohl heuer wieder so sein.

Schwerer als die sportliche Aussichtslosigkeit dürfte die Hypothek wiegen, mit Klaus Gerster („der schwarze Abt“) eine der meistgeächtetsten Figuren im deutschen Fußball zum Trainer zu haben. Es scheint schier unmöglich, mit diesem Übungsleiter Erfolg und Sympathie einzuheimsen. Geliebt wurde der FSV im Hessenland noch nie. Die Kickers aus dem benachbarten Offenbach standen immer höher in der Gunst der babbelnden Fans. Auch Riccardo Baich, beim HSV als hoffnungsvolles Talent weggelobt, bringt der FSV keine Fortune. Kaum an den Main gewechselt, darbt der Meniskus.

Am Millerntor wird es schwer werden für die fußballerisch defizitären Hessen. Werden die Maslo-Kicker der Papierform gerecht und vollbringen den höchsten Saisonsieg? Oder werden Thomforde & Co. leichtsinnig eingedenk der jüngsten Erfolge und eines anscheinend schon jetzt geschlagenen Gegners? „Iwo“ ist auf St. Pauli unisono zu hören, „wir unterschätzen die Underdogs auf keinen Fall.“ Na ja, das haben schon ganz andere gesagt. Rainer Schäfer