Bestimmt kluge Sachen

■ Die Zeitschrift „Glas'z“ gibt es immer noch – zu Recht

Merkwürdig. Warum nur will der Satz Adornos nicht aus dem Kopf, Philosophie erhalte sich am Leben, weil ihre Verwirklichung versäumt ward? Denn um Philosophie geht's bei der Hamburg Zeitschrift Glas'z gar nicht, sondern um Sub-, Gegen-, Jugend- oder Sonstwie-Kulturen. Und natürlich ist der Bezug auf den Frankfurter sowieso zu hoch gegriffen.

Trotzdem und auch auf die Gefahr hin, die Glas'z-Macher zu sehr zu loben, läßt sich der Ansatz ungefähr übertragen: daß diese Zeitschrift sich trotz aller Selbstausbeutung ihrer Initiatoren einzugehen weigert, macht in einem Berichterstattungsumfeld Sinn, das Nachdenken über das Leben in der heutigen (Medien-) Welt mit Verweisen auf Aktualitätszwang und Platzmangel beschneidet. Es gibt einfach zuwenig Orte, an denen sich das Wort des Beobachters frei entfalten kann (in der taz Hamburg etwa fehlt eindeutig der Raum, während die Zeit zu sehr drückt).

Das Prinzip von Glas'z läßt sich so beschreiben: Die Autoren gehen von der klassischen Underground-Mainstream-Differenz aus, schlagen sich auf die Seite des Undergrounds, sind aber zu klug, um noch wirklich dran zu glauben, und schneiden allerlei gestalterische Spielereien quer. Der Ansatz, die Sätze laufen zu lassen und dann auch noch durch ein – sagen wir es nett – Eigenrechte beanspruchendes Layout zu überbieten, feiert in einem ellenlangen Gespräch über Techno Urstände, dessen Privatheit sich nach einer Stunde Lektüre als Genauigkeit dekodieren läßt. Außerdem enthält die vor kurzem erschienene zweite Ausgabe des zweiten Anlaufs, erhältlich in ausgesuchten Buchläden und Kneipen, Mitschriften von informativen Radio Loretta-Sendungen, ein Interview mit dem Verschwörungstheoretiker Larry Beinhart, Besprechungen von Platten, die man längst schon kennt (oder nie kennen wollte) u.v.m. Einige Stunden Spaß kann man damit haben. Wenn jemand einen Glas'z-Verkäufer trifft – gib ihm ein Bier aus, er weiß bestimmt kluge Sachen. drk