„So werden Schlüsselkinder produziert“

■ Nach heftiger Debatte: Bürgerschaft stimmt Kita-Beitragsgesetz zu Von Iris Schneider

Zwei Abstimmungen waren nötig, aber dann war das neue Gesetz über die Elternbeiträge für Kindertagesheime am Mittwochabend mit den Stimmen von SPD und Statt Partei durch die Bürgerschaft gebracht. Für 48 Prozent der Hamburger Eltern bedeutet dies zum Teil drastisch höhere Gebühren.

Die neue Regelung war schon im Vorfeld heftig umstritten, vor allem weil Belastungen wie hohe Mieten, Schulden oder Unterhaltszahlungen für Kinder aus früheren Ehen nicht mehr berücksichtigt werden. Ab dem 1. Februar 1995 zählen allein der Nettoverdienst und die Familiengröße (s. Tabelle).

Eine alleinerziehende Mutter mit einem Nettoeinkommen von 2500 Mark beispielsweise zahlt für die ganztägige Betreuung ihres Kindes 90 Mark im Monat. Heiratet sie einen Mann mit gleichem Einkommen und ebenfalls einem Kind, zahlt das Paar für beide Kinder 525 Mark. Der Höchstbeitrag für Ganztagsbetreuung im Kindergarten steigt auf stolze 750 Mark.

Der Senat verspricht sich von dem neuen System eine Steigerung des Elternanteils an den Kosten von 11 auf 13 Prozent und damit Mehreinnahmen von 9,7 Millionen Mark. Daneben soll die Regelung die Gebührenberechnung vereinfachen, der einzige Effekt, der auch von der Opposition begrüßt wurde.

Schulsenatorin Rosemarie Raab rechtfertigte die Erhöhung in der heftigen Debatte am Mittwoch mit dem notwendigen Ausbau der Kindergartenplätze. Es ginge nicht an, daß Eltern „die heute einen Kindergartenplatz haben, die Plätze von Morgen subventionieren“, konterte die GAL-Abgeordnete Jutta Biallas (s. Interview S. 21). Die Gemüter entzündeten sich besonders an der Steigerung der Höchstgebühren für Hortplätze von 140 auf 280 Mark: „Hier produziert man Schlüsselkinder“, erregte sich Rolf Harlinghausen (CDU).

Daß das neue Gesetz, Frauen „zurück an Heim und Herd“ treibe, wie es Jutta Biallas formulierte, wollte die Sozialdemokratin Raab nicht gelten lassen: „Die Bedeutung der Erwerbstätigkeit für Frauen erschöpft sich nicht darin, ein bestimmtes Einkommen zu erzielen“, es ginge auch um Selbstverwirklung und die Sicherung der Rente, mutmaßte Raab. Auch die Härtefallregelung, deren Details laut Amt für Jugend noch nicht klar sind, fand bei der Opposition keinen Beifall. Dadurch würden normale Familien zu Almosenempfängern, kritisierte Biallas.

Ein Trost bleibt zumindest einigen Eltern: Im ersten Jahr steigen die Monatsbeiträge maximal um 350 Mark, und die alten Bewilligungsbescheide können noch bis zu einem Jahr in Kraft bleiben.

Die in den Hamburger Elterninitiativen engagierten Mütter lehnten das Beitragssystem gestern in ersten Stellungnahmen unisono ab. Sie rufen für Dienstag, den 6. Dezember (17.30 Uhr) zur Nikolaus-Demo auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz auf.