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■ Das grüne Stiftungswesen bedarf einer ReformWarum nicht Hannah Arendt?

Als 1989 die Grüne Partei den Stiftungsverband Regenbogen als ihre parteinahe Stiftung anerkannte, spiegelte sich in der gewählten Konstruktion die Tradition der eigenen Parteigründung wider. Die zentralen Basisbewegungen dieser Zeit fanden, entsprechend ihrer reformerischen Kraft in den 70er und 80er Jahren, in drei Einzelstiftungen ihren Ausdruck: Frauen-Anstiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Buntstift. Heute reklamiert die bündnisgrüne Partei ein neues Stiftungsimage, das auch den eigenen Erfordernissen als Trägerin eines sozialökologischen Reformprozesses mehr entgegenkommen soll. Wenn dabei neuerdings ein Zungenschlag zu vernehmen ist, der mit Druck Parteinähe einfordert (taz vom 29.11.), dann ist das nicht zuletzt auch der Tatsache geschuldet, daß Bündnis 90/Die Grünen selbst all die Jahre hindurch keine klaren Vorstellungen für ein dialogisches Verhältnis von Stiftung und Partei entwickeln konnten.

Nichtsdestotrotz ist in den Stiftungen Reform angesagt. Nach der Devise Wandel und Kontinuität gilt es, die bestehende Stiftungskonstruktion zu verändern – und zwar durchaus nicht aus bloßer Anpassung an Parteivorgaben. Das läßt sich an dem – in der Regel bei institutionellen Erneuerungen sensibelsten – Bereich, dem Frauenbereich, exemplarisch zeigen. Eine eigene Stiftung „von und für Frauen“ durchzusetzen war das Ergebnis eines historischen Kompromisses. Angetreten mit dem Aufbruchsgeist der 70er Jahre, mit der Forderung „Wir wollen alles“ (die Frauen forderten damals alle Mittel für sich ein), wurde letztendlich eine Quotierung erreicht. Entsprechend des vereinbarten Stiftungskonstruktes bedeutete dies ein Drittel der Mittel für eine eigene Frauen-Anstiftung mit selbstbestimmten Entscheidungs-, Organisations- und Arbeitsstrukturen. Aus dieser historischen Perspektive und angesichts der hartnäckigen Machtstrukturen im Geschlechtsverhältnis ist Quotierung von Mitteln und in der Gremienbesetzung, die Absicherung eigenständiger Entscheidungsstrukturen, ein Standard, der auch heute zum selbstverständlichen Bestandteil jedes Reformprozesses gehört.

Gleichwohl ist diese Form von Frauenpolitik an ihre Grenze gestoßen. Zwar wurde von der selbstbestimmten Frauen-„Ressortstation“ aus der Ausbau einer feministischen Infrastruktur möglich, aber die Vermittlung hin zu anderen Ressorts und Bereichen ist eher erschreckend gering geblieben. Ein Symptom, das generell für den derzeitigen Zustand der Frauenpolitik gilt. Dieser Stagnation gilt es mit der Entwicklung neuer Strukturen zu begegnen. Die Frauen müssen in dem anstehenden Reformprozeß das Verhältnis von Selbstbestimmung und Integration, von eigenständigen Entscheidungsräumen und Einflußnahme auf einer neuen historischen Stufe aushandeln.

Eine Weiterentwicklung des feministischen Projekts zu ermöglichen wird bei der Neubestimmung der Stiftungsaufgaben ebenfalls eine zentrale Rolle spielen. Versteht sich eine bündnisgrünen- nahe Stiftung nicht als Erfüllungsgehilfin der Partei, so kann sie sehr wohl eine Unterstützungsfunktion da übernehmen, wo es um die Weiterentwicklung politischer Konzepte gesellschaftlicher Reform geht. Hier sind aber, wo immer wir hingucken, ohne eine systematische Einbeziehung feministischer Fragestellungen, ohne die Berücksichtigung notwendiger Veränderungen im Geschlechterverhältnis keine zukunftsträchtigen Lösungen vorstellbar. Die großen gesellschaftlichen Umbrüche wie die Erosion der Arbeits- beziehungsweise Wachstumsgesellschaft, der beklagte Verlust von Solidarität und solidarischen gesellschaftlichen Praxen, die Globalisierung von Problemen und die Gefahr weiterer Demokratieeinbrüche sind unter dem Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Erneuerung nicht mit alten verkrusteten Patriarchatsträumen zu bewältigen. Es wird ein wichtiges Anliegen der Stiftungen werden müssen, in diesem gesellschaftspolitischen Spektrum konzeptionell innovative Arbeit zu leisten. Daß hierbei die Geschlechterperspektive auch auf der Ebene inhaltlicher Konzepte im gesamten Stiftungskonstrukt verankert wird, dafür bedarf es neuer organisatorischer Kreativität. Gefragt ist diese auch zur Absicherung der erwähnten Quotierungsstandards, wenn die eingeforderte Frauenautonomie nicht in einer Sackgasse enden will.

Heute für eine Umstrukturierung der bestehenden Stiftungskonstruktion zu votieren heißt schließlich auch, den Veränderungsprozeß nachzuvollziehen, der für die „alte Basis“ der drei Einzelstiftungen charakteristisch ist. Der allseits beklagte Mangel, die Stiftungen im öffentlichen Diskurs kaum wahrzunehmen, deutet darauf hin, daß den Ausdifferenzierungsprozessen der sozialen Bewegungen nicht gerecht werden konnte. Im Laufe der Zeit wurden entsprechend die internen „communities“ der jeweiligen Stiftungen immer kleiner. Basisorientierung gerät dann bekanntlich weniger zur gewünschten Befreiung und Demokratisierung als zu informellen Machtzirkeln und intransparenten Entscheidungsstrukturen. Das Unternehmen Regenbogen bedarf nicht zuletzt nach diesem Gesichtspunkt innovativer Impulse, wozu auch eine neue Namensgebung gehört: Die basisdemokratische Vielfalt suggerierende Namenspalette von Regenbogen bis hin zu Buntstift benötigt dringend Seriosität. Die wird jedoch nicht dadurch erreicht, daß die Uniformität männlicher Büstenköpfe wie Konrad Adenauer, Friedrich Ebert, Friedrich Naumann und Hanns Seidel weiter fortgeführt wird. Hier gebietet nicht eine Moral des political correctness, sondern eine zu den traditionellen politischen Stiftungen differente politische Tradition ein eigenes Profil. Warum nicht eine Hannah-Arendt-Stiftung? Es hieße, die patriarchale Linie in der Namensgebung der politischen Stiftungen in Deutschland aufzubrechen und die deutsche Geschichte des Nationalsozialismus nicht auszublenden. Hannah Arendt ist für die Namensgebung einer politischen Stiftung darüber hinaus prädestiniert, weil sie als politische Philosophin eine Querdenkerin war und luzide Analysen zu politischer Gewalt, Macht und Herrschaft lieferte, die bis heute an Aktualität nicht verloren haben. Sicher kann Hannah Arendt nicht als Feministin bezeichnet werden, doch hätte eine solche Namensgebung für alle Strömungen eine integrative Wirkung. Der Anspruch auf Frauenautonomie könnte dann mit der Etablierung einer Akademie umgesetzt werden, die sich zu einem Pool innovativer politischer Bildungsarbeit für Frauen und frauenrelevanter Forschungsarbeiten entwickeln kann. Davon sollten nicht zuletzt auch bündnisgrüne Politikerinnen profitieren. Das feministische Profil ließe sich in einer solchen Stiftungs-Dependance mit einer entsprechenden avancierten Namensgebung unterstreichen. Dörthe Jung

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