Tödliche Hungerkur für die PDS?

Die Protestform des Hungerstreiks mag melodramatisch sein – aber bei der Steuernachforderung von 67 Millionen Mark gegen die PDS handelt es sich tatsächlich um eine politisch dubiose Aktion. Müssen die Blockparteien jetzt auch zahlen?

Ob Eisbein oder Gänsebraten die Lieblingsspeise ihres Vorsitzenden sei, darüber konnten sich die Genossen nicht einigen. Rund hundert PDSler waren am Mittwoch abend vor das Gebäude der Berliner Außenstelle des Bundesinnenministeriums geeilt, wo die „Unabhängige Parteienkommission“ ihren Sitz hat. Das Warten lohnte sich. Kurz nach zehn wurden Lothar Bisky und Gregor Gysi aus einem Seiteneingang getragen. Die „demokratischen Sozialisten“ johlten. Vor laufenden Kameras kündigte Lothar Bisky an, den Hungerstreik fortzusetzen. Zu Redaktionsschluß, gestern nachmittag, hungerte er immer noch. Die Steuerforderung soll vom Tisch. Solange wollen Bisky und sieben Genossen im Berliner Abgeordnetenhaus verharren. In vielen Städten der neuen Bundesländer beteiligten sich Sympathisanten an Protestaktionen. In Dresden besetzten rund 200 Anhänger der Partei den sächsischen Landtag. In Anspielung auf die Nazizeit enthüllten sie ein Transparent mit der Aufschrift: „Kommt der Reichstagsbrand zu teuer, killt man bill'ger mit der Steuer“.

Die Forderung des Berliner Finanzamtes in Höhe von 67 Millionen Mark beruht auf einer Körperschaftssteuerschätzung und bezieht sich im wesentlichen auf die von der PDS im ersten Halbjahr 1990 weitergeführten Verlage und Ferienheime der SED.

Der Steuerstreit zwischen dem Berliner Finanzamt, der Treuhandanstalt und der PDS wogte bereits seit 1990. Ein Steuerbescheid über 3,2 Millionen Mark war von der PDS erfolgreich angefochten worden. Dies habe, so PDS-Schatzmeister Dietmar Bartsch, das Finanzamt im Sommer auch anerkannt. Doch daraufhin wurde ein neuer Bescheid erstellt, in dem das Finanzamt am 3. November von der PDS 67 Millionen fordert.

Hat die PDS ihre Bücher geöffnet oder nicht?

Während die Mitarbeiter der Berliner PDS-Zentrale auf den Gerichtsvollzieher warteten, liefen zwischen Berlin und dem Bonner Finanzministerium die Drähte heiß. Der Berliner Finanzsenator Pieroth kündigte den Beginn der Pfändung an.

Die Treuhandanstalt machte die PDS für die Eskalation des Konfliktes verantwortlich. Seit 1990 versuche die Treuhand, die PDS dazu zu bewegen, eine ordnungsgemäße Steuererklärung vorzulegen. Die PDS jedoch, so das Treuhand-Vorstandsmitglied, Klaus-Peter Wild, habe ihre Bücher nicht geöffnet.

Einig ist sich die Treuhandanstalt mit der PDS allerdings in der Einschätzung, daß der Steuerbescheid des Berliner Finanzamtes zweifelhaft ist. Nicht geklärt sei zum Beispiel die Frage, ob auch nach DDR-Recht Parteien überhaupt Steuerschuldner im Sinne der Körperschaftssteuer seien. Auch die Auffassung, die Steuerforderung müsse letztlich aus dem Altvermögen bezahlt werden, wird von der Treuhandanstalt geteilt.

Dieses Altvermögen liegt bei der Treuhand. Gegen die Überweisung ans Finanzamt sperrt sich nun aber die „Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR“. Sie will den Auftrag des Einigungsvertrages erfüllen und das Geld für gemeinnützige Zwecke in den neuen Bundesländern verwenden (s.u.).

Also muß die PDS die Steuerforderung aus ihrem Neuvermögen begleichen – verlangen die Finanzbehörden.

Die PDS zog vors Finanzgericht, bekam allerdings nur teilweise Recht. Zwar setzte das Gericht die Vollstreckung der Forderung aus, weil es „erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des strittigen Bescheides“ ausgemacht hatte, verlangte von der PDS jedoch die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe der Rückerstattung von Wahlkampfkosten: rund sechs Millionen Mark. Rechtlich ist dies möglich. Gemäß Paragraph 361 Absatz 2 der „Allgemeinen Abgabenordnung“ kann die Aussetzung der Steuerschuld von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Eine Kann-Bestimmung, die nach Auskunft von Rechtsanwälten und Steuerberatern in der Regel nicht angewendet wird.

Der Schatzmeister der PDS, Dietmar Bartsch, wies die Vorwürfe der Treuhandanstalt zurück. Die PDS habe der Treuhand und dem Finanzamt alle Bücher geöffnet. Die Unterlagen aus dem ersten Halbjahr 1990 jedoch, auf die sich die jetzt umstrittene Steuerschuld bezieht, lägen bereits seit über drei Jahren bei der unabhängigen Parteienkommission. In der Nacht auf Donnerstag brachte der Staatssekretär beim Berliner Senator für Finanzen, Kurth, in einem Gespräch mit der PDS die alte Steuerforderung von 3,2 Millionen ins Spiel. Als Kompromiß sollte die PDS zumindest diesen Bescheid begleichen.

Doch mit den Worten „halb pleite ist auch pleite“, lehnte Lothar Bisky diesen Deal ab. Allerdings reichte die PDS gestern vor dem Berliner Verwaltungsgericht eine Feststellungsklage ein, um die Treuhand und die unabhängige Parteienkommission zu zwingen, diese Summe aus dem Altvermögen ans Finanzamt zu überweisen. Die Entscheidung soll am 7. Dezember fallen.

Wie macht man die PDS zur Schmuddelpartei?

Während sich die Experten weiter durch den Steuerdschungel schlugen, fand Gregor Gysi gegenüber Journalisten deutliche Worte. Von „Staatskriminalität“ war die Rede, von Versuchen, die PDS auf „kaltem Wege plattzumachen“. In der Tat scheinen die Bonner Demokraten sich nur schwer damit abzufinden, daß die PDS gestärkt auch im neuen Bundestag sitzen wird. Nach den Anschwärzungsversuchen gegen Stefan Heym, den Weigerungen des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Bundestags-Eröffnungsrede von Stefan Heym abzudrucken, oder den Versuchen, der PDS die Gelder für die parteinahe Stiftung vorzuenthalten, scheint dies ein weiterer Versuch, die PDS als Schmuddelpartei hinzustellen. Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen betonte aber, auch in diesem Fall werde unabhängig vom Ansehen der Person entschieden.

Da stellt sich die Frage nach den ehemaligen Blockparteien. Die CDU hat nach Auskunft ihres Sprechers Rolf Kiefer bislang weder einen Körperschaftssteuer-Bescheid erhalten, noch ist ihr ein solcher vom Finanzamt angekündigt worden. Doch genauso wie die PDS waren auch die CDU sowie die LDPD und NDPD im ersten Halbjahr 1990 noch im Besitz von Verlagen und Ferienheimen und müßten im Falle einer Gleichbehandlung ebenfalls Steuern, wenn auch nicht in derselben Höhe wie die PDS zahlen. Christoph Seils