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Rote Fahnen, rote Rosen

■ Gestern wurde die RAF-Gefangene Irmgard Möller aus der Haft entlassen

Berlin (taz) – Rote Fahnen, Champagner, Rosen und Rufe nach der „internationalen Solidarität“. Rund 200 Freunde und Freundinnen waren gestern vor die „Frauenpforte“ des Knasts in Lübeck-Lauerhof gezogen, um dort Irmgard Möllers erste Schritte in die Freiheit zu feiern. 22 Jahre, 4 Monate und 21 Tage hat die heute 47jährige im Knast verbracht.

Nach ihrer Entlassung erklärte Möller, sie werde sich nun dafür einsetzen, daß auch die anderen RAF-Gefangenen entlassen werden. „Es kann nicht angehen, daß alle so lange sitzen wie ich.“ Bei ihren aus dem ganzen Bundesgebiet und dem Ausland angereisten FreundInnen bedankte sie sich für das Engagement, ohne das der Staat sie nicht freigelassen hätte. Erst nach einer zweijährigen Entlassungsprozedur kam Möller auf Beschluß des Landgerichts Lübeck „vorzeitig“ frei. Irmgard Möller war im Juli 1972 festgenommen, zunächst zu viereinhalb Jahren und 1979 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sie soll an einem Anschlag gegen das Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg im Mai 1972 beteiligt gewesen sein, bei dem drei GIs ums Leben kamen. Im Oktober 1977 überlebte sie als einzige die Stammheimer Todesnacht, in der die RAF-Gründer Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe starben.

Erleichtert über die Freilassung Möllers äußerte sich gestern Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Bei allen Versuchen einer friedlichen Beilegung des Konflikts zwischen Staat und RAF, so Vollmer, sei die fortdauernde Haft Möllers ein Haupthindernis gewesen. Als möglichen Grund für den exzessiven Strafanspruch des Staates nannte Vollmer die Hoffnung der Behörden, Möller werde irgendwann Details über die Stammheimer Todesnacht berichten. Das habe sie jedoch bis heute verweigert. Der schleswig-holsteinische Justizminister Klaus Klingner (SPD) erklärte, „auch Lebenslängliche müssen die Chance auf Freilassung haben“. Anläßlich der Entlassung Möllers sei es an der Zeit, „endlich erneut über die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe nachzudenken“. Lediglich die USA kritisierten gestern erneut die Freilassung Möllers. „Während wir die Unabhängigkeit deutscher Gerichte anerkennen, sind wir enttäuscht, daß eine nicht bereuende Terroristin, die drei US-Soldaten ermordet hat, aus dem Gefängnis entlassen worden ist“, hieß es in einer in Washington verbreiteten Erklärung.

In Lübeck-Lauerhof, wo in den vergangenen Jahren bis zu fünf RAF- Frauen in einer Kleingruppe inhaftiert waren, sitzt jetzt nur noch Hanna Krabbe. Sie war 1975, vor neunzehneinhalb Jahren, nach dem Überfall des RAF-Kommandos „Holger Meins“ auf die deutsche Botschaft in Stockholm verhaftet worden. Auch in ihrem Fall läuft derzeit ein Entlassungsverfahren, über das das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden muß.

Gerd Rosenkranz Seite 5

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