Beispiel Trondheim -betr.: "Auto-Exorzismus mit Road Pricing per High Tech", taz vom 29.11.94

Betr.: „Auto-Exorzismus mit Road Pricing per High Tech“, 29.11.94

Ohhhhh-Haa! mein lieber Martin Schmidt. Das saß. Road Pricing für Hamburg. Eigentlich ein guter Gedanke, weil endlich die AutofahrerInnen für ihren individuellen ökologischen Unsinn bezahlen sollen. Aber dann sollte man doch etwas genauer hinschauen: Während eines Kongresses im November des vergangenen Jahres in Essen hat eine VertreterIn aus der Stadt Trondheim (N) über deren Erfahrungen des Road Pricing berichtet.

Erstens sollte das Road Pricing den motorisierten Individualverkehr (MIV) dort reduzieren und den Umstieg auf den ÖPNV erleichtern (...). Zweitens sollten die Kosten für die Herrichtung und Unterhaltung von Stadtstraßen auf die NutzerInnen umgelegt werden (...).

Im ersten halben Jahr nach Einrichtung des Road Pricing in Trondheim ging der MIV zurück. Danach stabilisierte er sich zunächst für kurze Zeit und nimmt seitdem permanent wieder zu. Der Effekt kam durch die scheinbare Verflüssigung des MIV mithilfe des Road Pricing, so die damalige Referentin. Also die Ebene des „je mehr Spuren ich baue, um so besser fließt der MIV“. Wohlweislich ausgeklammert die Effekte, die zunächst vermeintlich leere Straßen bewirken: Sie ziehen noch mehr Verkehr an. (...)

Aber kommen wir zum zweiten gewünschten Effekt: Gelder vom MIV einnehmen und auf ÖPNV umsatteln. Ist ein guter und wünschenswerter Ansatz. Aber Trondheim und Oslo zeigen: Im ersten halben Jahr fuhr weniger MIV, wie ja gewünscht. Die Herrichtungs-, Abschreibungs-, Personal- und Unterhaltungskosten fraßen die wenigen Einnahmen vollständig auf. Für den Ausbau/Verbesserung des ÖPNV blieb so gut wie nichts übrig. Erst jetzt, seitdem mehr und mehr Autos fahren, gehen die Einnahmen logischerweise wieder so hoch, daß auch was für den ÖPNV übrigbleibt, allerdings immer noch weitaus weniger als erhofft. (...)

(...) Road Pricing ohne zusätzliche Steuerungsmaßnahmen, die den MIV notwendigerweise verringern, damit unsere Innenstädte wieder erlebenswert werden, geht nicht. (...) Ansonsten gibt es nämlich nur einen Gewinner: die Industrie, die uns für jedes Umweltzipperlein ein neues, blinkendes und quietschendes technisches Meisterwerk anbietet. (...) Aber eine ReferentIn der Firma Bosch war denn in Essen seinerzeit voll des Lobes für Road Pricing. Ging es nach seinen ersten vorsichtigen Berechnungen für die Herrichtung von Road Pricing nur auf den bundesdeutschen Autobahnen um nicht weniger als 30 Milliarden Investitionsmittel. (...) Mathias Wissmann jedenfalls war damals begeistert. Ökologie und Ökonomie endlich selig beisammen.

Ich bin weiß Gott kein Dogmatiker – ich steh mit beiden Beinen auf der Erde, aber ein wenig anders hatte ich mir den ökologischen Umbau unserer äußerst mobilen Gesellschaft schon vorgestellt. Du doch auch, oder irre ich mich so sehr in Dir lieber Martin Schmidt?

Werner Steinke, Elmshorn