Umwelt auf dem Glatteis

■ Gericht zwingt Hamburg zur Schneebekämpfung mit Salz

Gesundheitsvorsorge contra Umweltschutz. Im Dauer-Konflikt um den Einsatz von Streusalz zur Bekämpfung von Straßenglätte hat jetzt die Umwelt eine Niederlage erlitten. Die Stadtreinigung wird ab sofort bei Glatteis die rund 15.000 Hamburger Fußgängerüberwege nicht mehr nur mit Splitt, sondern einem Gemisch aus Sand und Tausalz bestreuen. Rund 200 Tonnen mehr Salz sollen in Zukunft allwinterlich auf die Straßen wandern.

Grund für das Comeback der Salzstreuung: Das Hamburger Oberlandesgericht verurteilte die Stadtreinigung im November in zweiter und letzter Instanz dazu, rund 50.000 Mark an Schmerzensgeld für Prozeßkosten und den Arbeitsausfall an einen Fußgänger zu zahlen, der Anfang 1992 auf einem Fußgängerüberweg ausgeglitten war und sich dabei einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen hatte. Begründung des Gerichts: Zum ausreichenden Schutz der Gesundheit bei Eis und Glätte wäre der Salzeinsatz geboten gewesen.

Der aber wurde auf Hamburgs Straßen Mitte der achtziger Jahre stark reduziert, da er Baumwurzeln angreift. Abgeschafft jedoch wurde er nie: Während der vergangenen Winter verstreute die Stadtreinigung stets zu knapp 60 Prozent Splitt und zu gut 40 Prozent Salz auf dem Asphalt.

Weiterhin verboten bleibt trotz des Urteils die Verwendung von Streusalz auf den Gehwegen. JedeR GrundeigentümerIn ist aber verpflichtet, auf den an sein Grundstück angrenzenden Wegen die weiße Winterpracht zu entfernen. Per Mietvertagsklausel wird diese Pflicht meist an die im Erdgeschoß lebenden Parteien eines Wohnhauses weitergegeben. Stets müssen Schnee und Eis sofort nach Entstehen, morgens aber spätestens bis 8.30 Uhr entfernt werden. Praxisnah ist das nicht. Ob etwa Schichtarbeiter im Winter jeden Morgen aufstehen müssen, um die Gehwege zu inspizieren, alle Werktätigen stets sofort vom Arbeitsplatz nach Hause fahren müssen, wenn Glätte droht, kann nicht einmal die Stadtreinigung beantworten. Ihr Sprecher Gerd Rohwedder weiß nur: „Das ist ein echtes Problem“.

Marco Carini