Entlastendes Gutachten

■ Krankenschwester gewann Prozeß

Ein Interview des Radiosenders r.s. 2 über den angeblichen Drogenhandel am Universitätsklinikum Rudolf Virchow führte im März dieses Jahres zur fristlosen Entlassung der 26jährigen Krankenschwester Sybille F. Zu Unrecht, entschied gestern das Arbeitsgericht.

In dem Interview hatte eine Frau unter dem Decknamen Susanne erklärt, daß sie und ihre Kolleginnen drogenabhängig sind. Sie würden aus dem „Giftschrank“ ihrer Station Polamidon entwenden und am Bahnhof Zoo verkaufen. Nachdem sieben Mitarbeiterinnen der neurochirurgischen Intensivstation meinten, ihre Kollegin als Interviewpartnerin erkannt zu haben, wurde umgehend eine Verdachtskündigung ausgesprochen.

Ein Stimmgutachten, das für den Prozeß eingeholt wurde, ergab jedoch zweifelsfrei, daß die Stimmen von „Susanne“ und Sybille nicht identisch sind. Das Virchow- Klinikum willigte gestern in einen Vergleich ein, der Sybille F. für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Entschädigung von 24.000 Mark zuspricht. Sie erhält außerdem rund 45.000 Mark Lohnausgleich. Das Virchow-Klinikum hat zudem eine Ehrenerklärung abgegeben. „Das ist die vollständige Entlastung der Klägerin“, sagte ein Vertreter des Virchow-Klinikums. Die Klinikleitung lehnte es aber kategorisch ab, sich bei der Krankenschwester für die Verdächtigung zu entschuldigen. Richter Riedel bezeichnete die Weigerung des Klinikums als „nicht nachvollziehbar“.

„Eine Entschuldigung hätte man schon erwarten können“, sagte Sybille F. nach dem Prozeß empört. Seit April leidet sie infolge der psychischen Belastung an epileptischen Anfällen. „Im Frühsommer wog ich nur noch 38 Kilo, und mir sind die Haare ausgefallen.“ Weil das Krankengeld, das sie seit April erhält, nicht ausreichte, hat sie inzwischen 22.000 Mark Schulden. Sie vermutet, daß sie bei einigen Kolleginnen unbeliebt war, weil sie eine Zeitlang Rastalocken trug und in einer Wagenburg lebte.

Wie der ärztliche Leiter des Virchow-Klinikums, Eckart Köttgen, erklärte, haben die polizeilichen Ermittlungen, um die das Krankenhaus damals gebeten hatte, „nicht den geringsten Hinweis“ darauf geliefert, daß Arzneien oder Betäubungsmittel entwendet worden seien. Dorothee Winden