"Ein grünes Herz reicht nicht"

■ Betriebsberatungen über Umweltschutz sind gefragt / Spezialisten haben's schwer

Vor drei Jahren noch waren die Mitarbeiter der Umweltberatung und Analytik GmbH (U&A) in Berlin-Ahrensfelde arbeitslos. Alle hatten sie durch die Abwicklung der Großbetriebe nach dem Mauerfall ihre Jobs verloren. Doch seit Januar dieses Jahres haben die 45 Chemiker, Techniker, Ingenieure und Laboranten sogar ihren eigenen Betrieb. 1992 als ABM- Projekt gegründet, ist die U&A inzwischen auf dem Weg in die Selbständigkeit. Das Unternehmen berät kleine und mittlere Betriebe in Sachen Umweltschutz, bietet mit technologischer Sachkenntnis konkrete Lösungen, übernimmt Altlastenbewertung sowie Analysen und Gutachten im eigenen Labor. 70 Prozent der Mitarbeiter haben an einer Weiterbildung im Bereich Umweltschutz teilgenommen. „Es ist ein hartes Geschäft“, resümiert die U&A-Geschäftsführerin, Inge Beinhölzel. „Wir machen nicht irgendein Kaffeekränzchen, sondern bieten den Firmen eine komplexe, technisch orientierte Beratung.“ Die Rechnung ging auf – dank des technisch gut geschulten Personals.

Berufe im Bereich Umweltschutz sind gefragt. Gerade der „Umweltberater“, ein Beruf, den es offiziell eigentlich gar nicht gibt, erlebt seit der Maueröffnung eine Renaissance. Was Mitte der 80er Jahre in den alten Bundesländern begann, boomt nun im Ostteil der Republik. Arbeitslose erhoffen sich mittels Weiterbildung neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Bildungsträger sehen lukrative Einnahmequellen, die im Westen längst versiegt sind. Die Vorstellung jedoch, daß sich Umweltwissen allein vermarkten lasse, habe sich nicht bewahrheitet, meint Christine Herzer vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg: „Nachdem wir vor zehn Jahren Leute für die Umweltberatung weitergebildet hatten, konnten wir sie kaum auf ABM-Stellen vermitteln, geschweige denn auf dem ersten Arbeitsmarkt.“ Deshalb fördere das Arbeitsamt keine Maßnahmen mehr mit dem Wörtchen „Umwelt“ im Titel. Christine Herzer: „Umweltspezialisten sind schwer vermittelbar. Ohne handfeste berufliche Grundausbildung ist eine Fortbildung im Umweltbereich wertlos.“ Nur dann, wenn für einen Beruf theoretisch ohnehin ein Arbeitsplatz vorhanden ist, sei es sinnvoll, umweltrelevante Kenntnisse als Zusatzqualifikation zu vermitteln. Deshalb setzen die Arbeitsämter auf „Anpassungsfortbildung“: Leute mit einer klassischen Berufsausbildung werden auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

Egal ob man nun in den Bauberufen mehr über energiesparende Sanierung lerne oder Ingenieure in Werkstoffverarbeitung und Recycling ausgebildet würden: „Umweltschutz spielt eine immer größere Rolle“, so Jürgen Bienert vom Arbeitsamt acht in Berlin- Marzahn.

„Die Mehrzahl der Unternehmen haben noch nicht den Stand erreicht, an dem sie einen eigenen Umweltexperten einstellen können“, schätzt Rainer Schöne von der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Natürlich ist das auch ein Kostenproblem. Daher befürwortet die IHK wie das Bundesinstitut für Berufsbildung eine stärkere Integration umweltrelevanter Inhalte in die bestehenden Ausbildungsordnungen.

Außer dem Beruf des Ver- und Entsorgers, der 1984/85 geschaffen wurde, gibt es noch keine neuen Berufe im Bereich Umweltschutz. „Feste Berufsprofile haben sich noch nicht herausgebildet“, bestätigt Rainer Schöne. „Die Probleme im Umweltbereich sind so vielfältig und von Betrieb zu Betrieb so unterschiedlich, daß es auch fraglich ist, ob standardisierte Ausbildungen oder Berufe überhaupt dem Bedarf gerecht werden können.“ Allerdings könne eine gezielte Fortbildung sinnvoll sein. Aber auch dabei ist die Abstimmung auf die Bedürfnisse der Firmen ein Problem. Brigitte Kayser vom Umweltbundesamt sieht die Situation kritisch: „Qualitäts- und Erfolgskontrollen finden ebenso wie Bedarfsanalysen in der Regel nicht in ausreichendem Maße statt.“

So groß das Interesse an Berufen im Bereich Umweltschutz auch ist: Viele Interessenten machen sich nach den Erfahrungen der Arbeitsämter gar nicht ausreichend Gedanken, ob sie überhaupt die richtigen Voraussetzungen mitbringen. „Viele, die in ihrem Beruf nicht ausgefüllt sind, aber auch auch Schulabgänger machen sich große Illusionen“, meint Brigitte Kayser. „Sie denken, wenn man ein grünes Herz hat, reicht das. Doch dann kommt ein knallhartes Umweltstudium.“

Der Studiengang „Umwelttechnik“ an der TU Berlin beispielsweise vermittelt technisch orientierte Kenntnisse und solides Grundlagenwissen. Anders als bei Crash-Kursen in Sachen Umwelt haben die Absolventen des Studiums gute Berufsaussichten, sei es in der Verwaltung oder in Ingenieurbüros. „Unser Studiengang“, meint Bernd Fick, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studienbüro des Fachbereichs, „ist zu technisch, um Gefahr zu laufen, Öko-Arbeitslose zu produzieren.“ Anja Dilk