Bier für grüne Trinker

■ Öko-Marketing bringt Bio-Bier in den Bio-Bauch

In wenigen Monaten ist es geschafft: Dann braut die Neumarkter Lammsbräu anstatt konventionellen Biers ausschließlich solches, das strengen ökologischen Kriterien genügt. „Die vergangenen Jahre waren in persönlicher und unternehmerischer Hinsicht ereignisreich“, meint Franz Ehrnsperger (48), Chef des mittelständischen Betriebes mit rund 80 Beschäftigten.

Manchmal allerdings schienen Hopfen und Malz verloren, seit die Umstellung auf umweltfreundliches Bierbrauen Ende der 70er Jahre begann. Dann drohten Kritik und Ablehnung durch Landwirte, Kunden und Brauereiverband das Faß zum Überlaufen und Ehrnsperger an den Rand der Verzweiflung zu bringen. Denn als er auf den Umwelttrip ging, brummte ihm bald der Schädel: Er hatte nicht den Hauch einer Chance, in der näheren Umgebung die 1.740 Tonnen ökologisch angebautes Rohgetreide aufzutreiben, die er für die Herstellung seiner acht Millionen Liter Bier pro Jahr brauchte.

Das Gütesiegel gehört zum ökologischen Marketing

Weil die umweltverträgliche Landwirtschaft noch in den Kinderschuhen steckte, war zunächst der Rohstoffmarkt zu organisieren – eine Aufgabe des Marketing, die umweltbewußte Unternehmen oft lösen müssen. Geschwind stellte Lammsbräu deshalb einen Agraringenieur ein, der die Landwirte der Umgebung anstiftete, nach den ökologischen Richtlinien der Erzeugergemeinschaft Bioland zu produzieren. Mit Erfolg: Dank langfristiger Lieferverträge, die beiden Seiten nützen, ist der Bedarf an Rohstoffen heute nahezu gedeckt. Inzwischen sind Neumarkter Öko-Dunkel, Öko-Pilsener und Kristallweizen am Tresen etabliert, und der eigenwillige Braumeister – ausgebildet im traditionsreichen Weihenstephan – wurde 1990 von der Wirtschaftszeitschrift Capital zum Öko-Manager des Jahres gekürt. Ohne besondere Einkaufs- und Absatzstrategien wäre dieser Erfolg ausgeblieben. „Die Verwendung eines seriösen ökologischen Gütesiegels ist ein zentraler Unterschied zum herkömmlichen Marketing“, erläutert Klaus Fichter vom Berliner Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).

Ebenso wie bei der Brauerei Pinkus im westfälischen Münster garantiert „Bioland“, daß in die Braupfanne ausschließlich Gerste und Hopfen gelangen, die weder mit Kunstdünger noch mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden. Regelmäßige Kontrollen durch das unabhängige Nürnberger Institut „BSC-Ökogarantie“, das die Einhaltung der EU-Verordnung über den ökologischen Landbau bescheinigt, tragen außerdem dazu bei, daß der Neumarkter Gerstensaft sich bei den Schluckspechten der Oberpfalz großer Beliebtheit erfreut.

Ohne Kunstdünger

Vor dem Hintergrund dieser schonenden Anbaumethoden der Rohstoffe ist der Hinweis auf die geringe Belastung der Durstlöscher mit Umweltchemikalien ein gern genutztes Marketing-Instrument. Allerdings läßt sich trefflich darüber streiten, ob das Öko-Bier tatsächlich weniger Schadstoffe enthält als konventionelles. Schon 1989 ergaben Messungen der Zeitschrift Öko-Test, daß auch manches herkömmliche Helle nur geringe Nitratwerte und Spuren der beim Mälzen entstehenden krebserregenden Nitrosamine aufweist. Schließlich gibt es auch in der normalen Landwirtschaft noch Ackerflächen, die wenig belastet sind, und die Bemühungen der Brauereien, überflüssige Chemikalien aus dem Produktionsprozeß zu verbannen, heben die Qualität des konventionellen Biers. Allerdings belegt eine in der Zeitschrift Brauwelt veröffentlichte Untersuchung, daß Öko-Bier tendenziell weniger Cadmium und Nitrate enthält – Stoffe, die durch Kunstdünger in den Boden gelangen können.

Als weiteres Marketing-Instrument gilt Kundenwerbung, die weniger auf Schlagworte als vielmehr auf „seriöse und reichhaltige Informationen“ setzt, betont IÖW-Mitarbeiter Klaus Fichter. In Broschüren aus Recycling-Papier beschreibt das Neumarkter Sudhaus detailliert, welche Stoffe den pfälzischen Durstlöschern zugesetzt werden und auf welche Chemikalien man gegenüber normalen Bieren verzichtet.

Der Lammsbräu-Umweltbericht, der die Produktpositionierung unterstützt, erklärt die gesamte Produktionskette von der Getreidesaat bis zum Transport der Fässer. Erst Ende Oktober wurde das 60seitige Werk vom IÖW als bester Umweltbericht der deutschen Industrie gewürdigt – ausgefeilter etwa als derjenige der bekannten Öko-Modemacherin Britta Steilmann.

Zudem weiß Brauereichef Ehrnsperger, was er den Überzeugungstrinkern unter seinen Kunden schuldig ist. Die kippen das Neumarkter Bier um so lieber hinter die Binde, je energie- und wassersparender es hergestellt wird. Also ließ Ehrnsperger Sonnenkollektoren für die Mälzerei bauen, nutzt die Abwärme der Sudpfannen mehrfach, entsagt Weißblechdosen und Einwegflaschen. Daß auch hier das Bier per Lkw – freilich mit Katalysator – übers Land kutschiert wird, schmälert das verkaufsfördernde Öko-Image nur unwesentlich.

Während der Bierdurst des Trinkervolkes zwischen Alpen und Helgoland nachläßt, die mit konventionellem Gerstensaft erwirtschafteten Umsätze stagnieren und Branchenkenner eine beispiellose Konzentrationswelle unter den 1.280 bundesdeutschen Brauereien befürchten, stehen die Fässer der Ökobrauer auf sicherem Boden. Bei der Neumarkter Lammsbräu ließ das Öko-Image den Umsatz wachsen: 1993 immerhin um sechs Prozent. Na denn: Prost! Hannes Koch