: „Es gibt ein Rezept“
■ Wer Umweltschutz will, hat Erfolg
185 Kommunen hatten sich 1994 um den Titel „Bundeshauptstadt für Natur- und Umweltschutz“ beworben. Im November wurde Eckernförde zur Öko-Hauptstadt des Jahres gekürt. Die taz sprach mit dem Projektleiter der Deutschen Umwelthilfe, Markus Zipf, über die Kriterien einer solchen Wahl.
taz: Wann darf sich denn eine Stadt Öko-Hauptstadt nennen?
Markus Zipf: Wenn sie sich nicht nur auf Schwerpunkte oder gar große Aktionen konzentriert, sondern in vielen Umweltbereichen tiefgehend engagiert. Die Beurteilungsbasis sind die Handlungsmöglichkeiten und rechtlichen Verpflichtungen von Kommunen. Wir fragen nach der Vernetzung von Biotopen, nach Umweltplanung, Klimaschutz und Energieeinsparungen in den öffentlichen Gebäuden. Die prozentuale Gewichtung der Punkte wird von Umweltverbänden und kommunalen Spitzenverbänden festgelegt.
Da kann ja auch mal ein Kreuzchen an der falschen Stelle landen...
Mitunter lassen wir uns Einzelheiten und Belege schicken, zum Beispiel Beschlüsse, Satzungen oder Bebauungspläne. Die ersten 20 Plätze werden dann noch mal von örtlichen Umweltschutzverbänden gecheckt. Ich will aber nicht pauschal unterstellen, daß grundsätzlich geschummelt wird. Manche Fragen sind einfach interpretationsfähig.
Haben Sie schon Gemeinden aufgrund falscher Angaben zurückgestuft?
Ja, es gibt Punktabzug, wenn – wohlwollend formuliert – Interpretationsunterschiede festgestellt werden. Das hat so manche Kommune ihren Platz auf der Rangliste gekostet.
Was hat denn die diesjährige Hauptstadt anderen Städten voraus?
Man hat schlechterdings nur eines getan: den Umweltschutz planerisch in die Ämter getragen. Es wird nicht Sinn oder Unsinn diskutiert, sondern es ist zum Beispiel klar, daß bei Planungsvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht wird und daß auch die Umweltverbände in die Planungen mit einbezogen werden. Ein Highlight ist sicherlich der Eckernförder Tarif: Dem Stromverbraucher wird angezeigt, wann die Energie am billigsten ist. Beim Landschaftsplan wurden 100 Prozent der planerischen Vorgaben übernommen. Das ist meines Wissens bundesweit einzigartig. Gerade beim Landschaftsplan müssen oft Abstriche gemacht werden, weil sich die Wirtschaft über die „Halskrause Umweltschutz“ beschwert.
Welche Vorteile konnten denn die vorjährigen Preisträger aus dem Titel ziehen?
Materiell haben wir nichts zu bieten. In erster Linie verfolgen wir das Ziel, daß sich die kommunalen Maßnahmen vervielfältigen, andere Kommunen aufmerksam werden, Vorbilder und Beispiele finden und diese übernehmen.
Nun kämpfen viele ostdeutsche Städte mit ihren Altlasten. Haben die überhaupt eine Chance?
Mit Einschränkungen, denn oft gibt es grundsätzliche Probleme im Boden oder im Wasser. Aber immerhin haben wir in diesem Jahr Schwerin auf Platz 35, Halle und Leipzig gleichauf mit Krefeld, Düsseldorf, Ludwigsburg und Bretten auf Platz 38.
Gibt es eigentlich ein Rezept für den Erfolg?
Ja. Wenn die Verwaltungsspitze Umweltschutz schlichtweg will, ihn nicht als Gegner versteht, sondern in die Arbeit einbezieht, führt das zwangsläufig zum Erfolg. Eins haben alle bisher ausgezeichneten Städte und Gemeinden gemein: Bürgermeister und Gemeindedirektoren verstehen Umweltschutz als ihre persönliche Aufgabe.
Interview: Andreas Lohse
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