Nächste Etappe zum nordirischen Frieden

■ USA überreden Großbritannien zu direkten Kontakten mit Sinn Féin

Dublin (taz) – Plötzlich hatte es die britische Regierung eilig: Am Mittwoch abend hatte man die Behauptungen eines Regierungssprechers, wonach Gespräche mit Sinn Féin unmittelbar bevorstünden, noch energisch zurückgewiesen. Donnerstag mittag wurde der Termin bekanntgegeben: Am nächsten Mittwoch kommt es in Belfast zu ersten offiziellen Kontakten zwischen Londoner Regierung und politischem Flügel der IRA.

Es bedurfte dazu freilich einiger Überredung aus den USA. Ab 13. Dezember tagt in der nordirischen Hauptstadt nämlich ein „Internationales Investment-Forum“ mit Beteiligung zahlreicher US- Unternehmen. Sinn Féin sollte davon ausgeschlossen werden, hatte Nordirland-Minister Patrick Mayhew entschieden.

Als die US-Unternehmen deshalb mit Boykott drohten, vollzog Mayhew eine Wende und erklärte, daß Stadträte aus Belfast und Derry zum Forum eingeladen würden. „Das schließt natürlich auch die Sinn-Féin-Stadträte ein, falls sie kommen möchten“, fügte er kleinlaut hinzu. Um das Gesicht zu wahren, mußte man dann auch den Bann über Sinn Féin aufheben und den Beginn offizieller Gespräche vorverlegen.

US-Präsident Bill Clinton reagierte auf die Nachricht mit der Ernennung des scheidenden Mehrheitsführers im Senat, George Mitchell, zum Sonderbeauftragten in Sachen Frieden in Irland. Seine Hauptaufgabe besteht darin, eine für April vorgesehene Konferenz über die wirtschaftliche Unterstützung Nordirlands vorzubereiten. Konkrete Summen wurden bisher nicht genannt, aber es dürfte um rund 50 Millionen Dollar gehen. Clinton gab außerdem bekannt, daß Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams in der kommenden Woche von Regierungsbeamten im Weißen Haus in Washington empfangen werde.

Die am Mittwoch beginnenden Gespräche zwischen Sinn Féin und britischer Regierung sind der erste offizielle Kontakt seit 22 Jahren. Geheime Kontakte gab es während dieser Zeit allerdings zur Genüge. Sinn Féin hat den Vizepräsidenten Martin McGuinness zum Verhandlungsführer ernannt, die britische Regierung schickt den stellvertretenden Nordirland- Staatssekretär Quentin Thomas ins Rennen.

Meinungsverschiedenheiten sind bereits einprogrammiert: Bei Thomas steht die Herausgabe der IRA-Waffen ganz oben auf der Wunschliste, Sinn Féin erwartet diesen Schritt dagegen erst am Ende eines erfolgreichen Friedensprozesses. Es geht ihr vorrangig um „die volle Gleichstellung mit anderen Parteien“ sowie um die Freilassung aller politischen Gefangenen. Vermutlich werden sich die Gespräche jedoch zunächst um Verfahrensfragen im Vorfeld von Allparteien-Gesprächen drehen. Ob die Zwischenergebnisse öffentlich gemacht werden, ist bisher nicht entschieden.

Der Gesprächsbeginn wurde von fast allen Seiten als Meilenstein auf dem Weg zum Frieden begrüßt. Labour-Chef Tony Blair sicherte der Regierung seine volle Unterstützung zu. Sprecher der loyalistischen Organisationen betonten, daß sie demnächst ebenfalls mit einer Einladung an den Verhandlungstisch rechnen. Der Westminster-Abgeordnete John Taylor von der Ulster Unionist Party sagte, der richtige Zeitpunkt sei gekommen, um in die nächste Phase einzutreten. Dabei müsse „sich herausstellen, ob Sinn Féin eine normale politische Partei werden“ könne.

Lediglich der radikale Protestanten-Pfarrer Ian Paisley verurteilte die Entscheidung für eine Gesprächsaufnahme, solange „die Tötungsmaschine der IRA noch intakt“ sei. Er kündigte an, daß seine Partei, die Democratic Unionist Party, das Investment-Forum boykottieren werde. Ralf Sotscheck