Ein Königreich für Kommunisten

Manmohan Adhikari von der Kommunistischen Partei ist neuer Ministerpräsident Nepals – ein biederer 74jähriger Nationalist, dessen antiindische Haltung auch dem König gefällt  ■ Aus Delhi Bernard Imhasly

Nach zwei Wochen intensiver Gespräche war es heraus: König Birendra von Nepal betraute tatsächlich den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Nepals, Manmohan Adhikari, mit der Bildung einer neuen Regierung. Bei den Parlamentswahl am 15. November hatte keine der Parteien die absolute Mehrheit der 103 Parlamentssitze erreichen können: die CPN (United Marxist-Leninist) gewann 88 Mandate, der bisher regierende Nepali Congress 83, die monarchistische Volksallianz RPP 20 Sitze.

Die Kommunisten suchten zuerst Partner bei einigen Fraktionen des Nepali Congress zu gewinnen. Aber die überraschende Niederlage hat die zerstrittene Partei vorläufig wieder geeint: Ex-Regierungschef G. P. Koirala, der Wahlverlierer, konnte sie davon überzeugen, daß sich die Partei an das Verdikt des Volkes halten sollte – und sich in der Opposition erst mal einem Selbstreinigungsprozeß unterziehen sollte. So blieb dem König nichts anderes übrig, als Adhikari in den Palast einzuladen.

Der Jubel unter den kommunistischen Parteien Südasiens über den Sieg der Kommunisten ist groß, weil auch sie dem Stigma vom „Ende der Geschichte“ entfliehen wollen. People's Democracy, die offizielle Wochenschrift der indischen CPI, sieht schon eine Wiedergeburt der russischen Revolution. Wie diese habe auch Nepal die marxistische Lehre korrigiert und den Umsturz in einem rückständigen Agrarstaat durchgeführt. Doch schon das parlamentarische Damoklesschwert wird die Einführung einer Diktatur des Proletariats in diesem armen Himalayastaat etwas verzögern: Nepali Congress und selbst die Volksallianz dürften die Minderheitsregierung zwar zunächst stillschweigend unterstützen, im Bewußtsein aber, sie jederzeit stürzen zu können.

Auch die Person des neuen Regierungschefs wird die Hoffnungen auf den Sozialismus zügeln. Die Biographie des 74jährigen Adhikari zeigt zwar einen ehrlichen Marxisten und Republikaner, der für seine Überzeugung jahrelang im Gefängnis saß. Er hatte daher zunächst Mühe, die Öffnung seiner Partei für eine Mehrparteiendemokratie zu schlucken. Aber wie so viele seiner Parteigenossen in Nepal und Indien ist Adhikari ein Brahmane, und dies macht auch ihn, in den Worten der Times of India, zu einem „Bücher-Bolschewisten“. So kann Adhikari als kommunistischer Premier in einer Monarchie durchaus „His Majesty's Most Loyal Communist“ bleiben. Und was die Kasten-Zugehörigkeit im Hindu-Königreich angeht, stellen die oberen landbesitzenden Kasten auch unter den 88 kommunistischen Abgeordneten eine Zweidrittelmehrheit.

Darüber hinaus hat der pragmatische Kurs der chinesischen Genossen bewirkt, daß auch Manmohan Adhikari nach ideologischen Abstechern in die Sowjetunion, nach China und Nordkorea schließlich im Hafen eines biederen nepalischen Nationalismus gelandet ist. Die enge kulturelle Bindung zu Indien etwa hinderte Adhikari nicht daran, einen scharf antiindischen Wahlkampf zu führen und die Kündigung des indisch-nepalischen Freundschaftsvertrags von 1950 zu verlangen. Der Vertrag räumt den Bürgern beider Länder weitgehende Freizügigkeit ein und verankert Nepal zudem politisch und wirtschaftlich fest im indischen Raum. Adhikari fordert statt dessen eine Politik der „gleichen Distanz“ Nepals zwischen China und Indien. Dies ist auch eine der Lieblingsideen des Königs – wenigstens in diesem Punkt könnten Regierung und Palast eine gemeinsame Plattform haben. Allerdings wird König Birendra die Folgen seiner antiindischen Haltung Ende der achtziger Jahre nicht vergessen haben: Ein Wirtschaftsboykott des großen Nachbarn löste die Revolution von 1990 aus – und beraubte ihn seiner absoluten Macht.