Alles Gatt mit Bob und Bill

Auch der US-amerikanische Senat hat das neue Welthandelsabkommen ratifiziert / Die Republikaner setzen eine Ausstiegsklausel durch  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Der Showdown fiel aus, Nerven und Fingernägel im Weißen Haus wurden geschont. Mit einer überraschend großen Mehrheit von 76 zu 24 Stimmen votierte der US-Senat am Donnerstag abend für die Ratifizierung des neuen Gatt-Vertrages. Das Repäsentantenhaus hatte das Welthandelsabkommen bereits am Dienstag mit 288 zu 146 Stimmen passieren lassen. Beide Kammern mußten sich zur Ratifizierung in dieser Woche noch einmal in ihrer alten Besetzung zu einer Sondersitzung einfinden, zu einer genannten lame duck session. Die ursprünglich vorgesehene Abstimmung noch vor den Kongreßwahlen am 8. November war am Widerstand der Republikaner gescheitert.

Das Abkommen der sogenannten „Uruguay-Runde“, von 124 Nationen unterzeichnet, sieht unter anderem vor, Zölle um rund ein Drittel zu senken, Subventionen für Agrarexporte abzubauen, sowie dem internationalen Dienstleitungs- und Investitionsmarkt ein Regelwerk zu verpassen. US-Präsident Bill Clinton, durch die Wahlniederlage seiner Partei am 8. November schwer angeschlagen, hatte endlich wieder einmal Anlaß, vor laufenden Kameras siegessicher und präsidial zu wirken. Die Ratifizierung des Gatt-Abkommens zeige, sagte er, wie schon die Abstimmung über das „North American Free Trade Agreement“ (Nafta), daß „sich unser Land in die richtige Richtung bewegt“. Aber der Präsident steuert nicht mehr allein. Neben Bill Clinton stand, ebenso siegessicher und präsidial, Senator Robert Dole, Fraktionschef der Republikaner mit Präsidentschaftsambitionen für das Jahr 1996. Bob Dole hatte, bestärkt durch den Wahlsieg seiner Partei, der Clinton-Administration als Gegenleistung für die Stimmen seiner Parteikollegen Zugeständnisse abverlangt.

Zuerst wollte der Senator aus Kansas dem Präsidenten die Unterstützung für eine von den Republikanern geforderte Senkung der Kapitalertragssteuer abringen. Als sich das Weiße Haus in dieser Frage unnachgiebig zeigte, einigte man sich auf anderer Ebene: Im Streit um die „World Trade Organisation“ (WTO), jene Institution, die in Zukunft Streitigkeiten zwischen Gatt-Mitgliedern schlichten soll. Dole sieht die WTO wie viele andere Gatt-Kritiker als Bedrohung der nationalen Souveränität. Gemeinsam mit Clinton einigte er sich auf einen Ausweg: Wenn die WTO in einer bestimmten Frist dreimal Handelskonflikte zu Ungunsten der USA entscheidet, dann soll der US-Kongreß den Ausstieg der USA aus der Institution beschließen können.

Geht es nach dem Willen der Clinton-Administration, so soll eine solche Situation vermieden werden, indem ein alter Freund und Kenner US-amerikanischer Interessen, Mexikos Ex-Präsident Carlos Salinas de Gortari, zum ersten Direktor der WTO ernannt wird. Bei der EU hat man allerdings andere Personalwünsche.

Für die Gegner und Kritiker des Gatt-Abkommens ist der Konflikt damit ohnehin noch lange nicht beendet. Der nächste Angriffspunkt wird sich schon nächste Woche in Miami ergeben, wenn Bill Clinton auf dem „Gipfel der Amerikas“ Chile den Beitritt zu Nafta anbieten wird. An diesem Gipfel werden mit Ausnahme Fidel Castros alle Regierungschefs der Karibik, Nord-, Mittel-und Südamerikas teilnehmen. Den Segen der Fraktionsführung der Republikaner, die in der nächsten Legislaturperiode die Mehrheit stellen werden, hat Clinton. Doch gleichzeitig sind ihm damit zunehmend die Hände gebunden, wenn es bei zukünftigen Freihandelsabkommen um Fragen des Umweltschutzes und der Arbeitnehmerrechte geht. Einige seiner Berater und Hausdemoskopen befürchten zudem, daß die derzeitige Vorliebe ihres Präsidenten für das Thema Freihandel am Ende keine Zugewinne auf der Popularitätsskala einbringen wird. Kürzel wie Apec, Gatt oder Nafta lösen bei vielen Wählern bestenfalls ein Gefühl der Konfusion und Unübersichtlichkeit aus. Gut zwei Drittel der US-Amerikaner sahen sich nach einer Meinungsumfrage der letzten Woche außerstande, eine Meinung zum Gatt-Abkommen abzugeben.

Der Deutsche Helmuth Kohl hatte damit erwartungsgemäß weniger Schwierigkeiten. Die Abstimmung im amerikanischen Senat sei „eine gute Entscheidung“, sagte gestern der deutsche Kanzler im Einklang mit beinahe sämtlichen Regierungen außerhalb der Vereinigten Staaten.