■ Der Deutsche Sportbund hat einen neuen Präsidenten
: Was sagt der Sport?

Der Deutsche Sportbund (DSB) hat 24,861 Millionen Mitglieder. Ganz schön viel. Da könnte einer auf die Idee kommen, dies sei eine Menschenansammlung, um die sich ein Kanzler gerne kümmert. Nun, Helmut Kohl hatte offensichtlich Besseres zu tun, als sich zum Bundestag des DSB nach Timmendorfer Strand aufzumachen. Immerhin, der ehemalige Mittelläufer ließ „herzliche Grüße“ ausrichten. Die kann man ernst nehmen. So ernst, wie der Kanzler den Sport offenbar nimmt. Und dessen Führungspersonal. Manfred von Richthofen, als Nachfolger Hans Hansens nun fünfter DSB-Präsident, stellte er ein Treffen immerhin in Aussicht. Doch wer ist von Richthofen?

Andererseits kann man auch nicht sagen, daß sich der Kanzler um gar nichts kümmert. Einen möglichen DSB-Präsidenten Heiner Geißler etwa hat er aus unbekannt-naheliegenden Gründen schon in der Kontaktierungsphase verhindert. Geißler hätte man zumindest zugehört. Sport, fürchtet nun von Richthofen völlig zu Recht, drohe in den Zeiten wirtschaftlicher Misere zur „entbehrlichen Nebensache“ erklärt zu werden. Das betrifft zuvorderst den Breitensport. Den Show- und Leistungssport braucht die Wirtschaft noch. „Warum“, fragte Daimler-Vorstandssprecher Matthias Kleinert die Delegierten, „sollte die Wirtschaft den Sport unterstützen?“ Weil der jüngste Verschlankungsplan wieder Zehntausende von Werktätigen in eine mit Sport zu nutzende Freizeit entläßt? Bestimmt nicht. Warum also? Keine Ahnung. Muß Kleinert mal wieder selbst die Antwort geben: Weil man „den Sport als Arbeitsplatzinstrument für unsere Weltwirtschaft“ nutzen kann. Auch gut. So tritt ein jeder nach dem Sport wie es gefällt oder nach Kosten- Nutzen-Rechnungen Sinn macht.

Ja, aber: Was sagt der Sport? Lassen wir uns nicht bieten! Und was macht der Sport? Läßt, von Problemen paralysiert, alles mit sich machen. Wer hilft dem Ostsport? Das Innenministerium nicht. Die „Solidargemeinschaft“ Sport? Davon kann Ehrenpräsident Hansen träumen. Im redlichen Bemühen, die eigenen Vorteile nicht unnötig aus den Augen zu verlieren, verheddert man sich gern. Denkt einer gar nach, wie der DLV-Präsident Helmut Digel, so begegnet man ihm mit ungläubigem Desinteresse, bis er sich desillusioniert zurückzieht. Die Krise des Sports ist auch eine Krise seines Führungspersonals, das mit dem eigenen Credo „Spitzenleistung“ seine Probleme hat. Die fast einstimmige Berufung von Richthofens an die Spitze des Deutschen Sport(bunde)s mag daher weniger ein Zeichen von Zukunftsoptimismus sein als bloßer Fatalismus. Die Delegierten haben gewählt – eine Wahl hatten sie nicht. Und suchten sie nicht. Peter Unfried