Japans Sonne geht wieder auf

Die japanische Wirtschaft kommt langsam wieder auf Trab / Aufschwung fast nur dank der Auto- und Elektronikindustrie / Yen-Wechselkurs als große Unbekannte  ■ Aus Tokio Georg Blume

Die Stimmung steigt, die Rezession nähert sich dem Ende, und die Unternehmen machen schon wieder ordentliche Gewinne: Der japanischen Wirtschaft geht es nach vier Jahren beständiger Talfahrt heute endlich besser. Die volkswirtschaftlichen Ergebnisse des dritten Quartals, die am Freitag in Tokio bekanntgegeben wurden, zeigen, daß die Konjunktur in Japan und Deutschland wieder einmal ähnlich verläuft. Während die japanische Wirtschaft im Jahr 1993 um 0,2 Prozent schrumpfte, geht es jetzt wieder aufwärts. Im Herbst erreichte die japanische Wirtschaft eine Wachstumsrate von 3,7 Prozent aufs Jahr umgerechnet; für das gesamte Bilanzjahr prognostiziert die Regierung nun ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent.

Sogar Zentralbankchef Yasushi Mieno, den die Japaner für einen Mann von außergewöhnlicher Sturheit halten, sieht die Welt heute wieder lockerer: „Die Samen für das erneute Wachstum unserer Wirtschaft sind gestreut.“ Eine neue Arbeitsteilung zwischen Japan und den anderen Ländern Asiens verspreche jetzt allen mehr Wachstum, beteuert Mieno, der Japan in seiner Amtszeit eine strenge Zinspolitik verordnete und damit die längste Rezession der Nachkriegszeit noch verschärfte.

Also keine Rede mehr von den Problemen des „Standorts Japan“? Unabhängige Beobachter haben da ihre Zweifel. „Dieser Aufschwung wird nur sehr langsam in Gang kommen“, glaubt Donald Kimball, ein US-Volkswirt der Mitsubishi Bank. Die Börse zeichnet noch immer ein düsteres Gesamtbild, was zum Teil an der unsicheren Wirtschaftspolitik liegt, aber auch daran, daß Deregulierungsversprechen nicht eingelöst wurden. Selbst die Wettbewerbsfähigkeit der Japaner erscheint geschwächt. So listete eine internationale Statistik Japan bisher stets als das wettbewerbsfähigste Land der Welt auf. Doch in diesem Jahr sind die Japaner zum ersten Mal auf Platz zwei hinter die USA zurückgefallen.

Tatsächlich fährt die japanische Wirtschaft nur dort besonders gut, wo sie schon immer gut gefahren ist: in der Automobil- und Elektronikindustrie. So stieg die Produktion bei Toyota im letzten Jahr um 5,4 Prozent; der gesamte Pkw-Export legte um vier Prozent zu. Ähnlich stark präsentieren sich sonst nur Elektrokonzerne wie Mitsubishi und Sharp, die mit neuen Telefon- und Bildschirmgeräten riesige Erfolge feiern. Damit erreichten sie Profitsteigerungen zwischen 35 und 50 Prozent.

Die große Unbekannte in den Wirtschaftsprognosen bleibt die Yen-Kurve. „Wenn es für die Unternehmen in den kommenden Monaten einen Negativfaktor geben wird, dann ist es der zu starke Yen“, fürchtet Yoichi Morishita, der Präsident von Matsushita, dem größten Elektronikhersteller der Welt. Erst Ende Oktober erreichte die japanische Währung erneut einen historischen Höchststand gegenüber dem Dollar. Dies verteuert die Exporte, was schon im letzten Jahr einen Aufschwung verhinderte. Nicht ausgeschlossen, daß sich dies im nächsten Jahr wieder ähnlich auswirkt.

Der Arbeitsmarkt schließlich ist aus japanischer Sicht auch durch den beginnenden Aufschwung noch nicht spürbar entlastet. In den letzten beiden Jahren wurden im produzierenden Gewerbe 600.000 Arbeitsplätze wegrationalisiert. Zwar entstanden in der gleichen Zeit viele neue Jobs im Dienstleistungssektor, doch die Arbeitslosigkeit erreicht mit drei Prozent immer noch japanische Rekordhöhen. Doch anders als in Deutschland sind Massenentlassungen ausgeblieben, weshalb der beginnende Aufschwung nun nicht ganz so spektakulär wie in Deutschland ausfällt.