Besoffen auf dem Pfingstochs', hurreih!

■ Ein schöner Abend mit der irischen Trinkerstimme Shane MacGowan im Docks

Früher sprachen die Sänger davon, eine Straße herunterzugehen. Shane MacGowan hat sich seit den Pogues und mit den Popes für eine spezielle Fortbewegungsweise entschieden. Dafür stelle man sich einen spaßlustigen, raufbereiten Burschen vor, der auf einem entführten Pfingstochsen reitend, sein Getränk im ruckelnden Trabschritt mit dem Tier teilt.

Das Unterfangen erregt schnell Aufsehen, die Leute rennen zusammen und bei einem so entstehenden Umzug sind die Religion und das Opium wahlweise fürs Volk, Unterbrechungen meistens für die Katz'.

Shane MacGowan kennt aber nicht nur Folk-People sondern auch viele Rock-Leute und verhielt sich im Docks am Montag wie der geistige Bruder von Keith Richards. Als Idol für Edelsäufer, bewußtseinserweiterte Fußballfans und Leute, die das „wahre“ Leben nicht bloß auf Premiere anschauen möchten, strahlte er auch beim geradesten Stehen immer noch etwas Hängeriges ab. Ihm stand eine Band aus Mannsbildern und malerischen Figuren zur Seite. Auf der Linken ein Gitarrist, der äußerlich frappierend an den Pulp-Fiction-Bruce Willis erinnerte. Auf der Rechten ein Banjo-Spieler, der wegen ähnlicher Gründe auf den Spitznamen „Alan Stivell“ hören dürfte.

Zum Auftakt „Ein Prosit, ein Prosit“. Durch das klitschefeuchtgeschwitzte Publikum wehte ein Hauch der Erkenntnis: Ja, so woarns', die oalten irischen Rittersleut'! MacGowan-Fans gehen sofort mit, wenn „Shane, oh wie schön Shane!“ auftaucht. Sie zählen und pochen auf ihn, selbst wenn draussen Kohl abgewählt werden würde. Schwer zu sagen, ob hier der Fortschritt beginnt oder versackt.

MacGowan ließ schönschürfende Kumpelgefühle aufkommen und pflegte keinen so bräsigen Umgang mit Bibelversatzstücken wie Nick Cave. Mit der Fähigkeit, zu allen einen gleich guten Draht zu haben, läßt er den MTV-Moderator Ray Cokes, den Schauspieler Johnny Depp und seinen Pogues-Nachfolger Joe Strummer weit hinter sich. Abgesehen davon daß er weiterhin, und bestimmt nicht wegen seiner Zähne, zu den 10 coolstaussehenden Typen im Showbiz' gehört. Der europäische Neil Young, bloß nicht so naiv. Bitte noch lange weiter im Songtext.

Kristof Schreuf/Foto: JMS