„Unglückliches Jahr“

■ Amt für Arbeitsschutz: Berufskrankheit Krebs forderte 250 Todesopfer

Die Arbeitssicherheit wird in vielen Hamburger Unternehmen immer noch vernachlässigt. Im Hamburger Hafen hat diese Nachlässigkeit in diesem Jahr bis Mitte Oktober schon sechs Menschen das Leben gekostet. Im Vorjahr hatte es dort zwei und 1992 drei Todesfälle gegeben: Nüchterne Zahlen, hinter denen sich menschliche Schicksale verbergen.

Der gestern von Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel vorgestellte Jahresbericht 1993 des Amts für Arbeitsschutz hat noch mehr Schockierendes in Statistiken gegossen: Rund 250 Menschen sind im vergangenen Jahr in Hamburg an berufsbedingtem Krebs gestorben. 12.777 Arbeitsunfälle wurden im gleichen Zeitraum registriert, bei 22.500 Betriebsbesichtigungen stellten die Außendienstmitarbeiter der Behörde nicht weniger als 19.000 Mängel fest.

Zur Ursache für den überproportionalen Anstieg der tödlichen Arbeitsunfälle im Hafen sagte Amtsleiter Matthias Frommann gestern: „Ich hoffe, es handelt sich nur um ein unglückliches Jahr“. Besonders gefährlich seien aber die sogenannten „Van-Carrier“, die allein in drei der sechs Todesfälle verwickelt waren. Diese hochbeinige Fahrzeuge, mit denen Container im Hafen bewegt werden, erreichen verhältnismäßig hohe Geschwindigkeiten. Die Sicht des Fahrers durch die über dem Container angeordnete Kabine ist allerdings erheblich eingeschränkt.

Während es in der gewerblichen Wirtschaft 1993 insgesamt zu 22 tödlichen Arbeitsunfällen kam, war das Baugewerbe die einzige erfreuliche Ausnahme, hier waren 1993 keine Toten zu beklagen.

Den nach wie vor größten Anteil an den als Berufskrankheit anerkannten Krebserkrankungen haben die asbestbedingten Karzinome. Obwohl die Hochzeit des Asbests schon zwanzig Jahre zurück liegt, rechnet die Gesundheitssenatorin auch für die nächsten Jahre mit einem Anstieg der typischen Asbest-Krankheiten wie Lungen- und Rippenfellkrebs. 167 Fälle waren es allein im vergangenen Jahr.

Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts befaßt sich mit dem öffentlichen Dienst, vor allem den Krankenhäusern. Der hohe Krankenstand und die starke Fluktuation bei den MitarbeiterInnen sprächen dafür, daß es in Krankenhäusern ein erhebliches Defizit im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz gebe, konstatiert der Bericht.

Die Senatorin verspricht sich eine Verbesserung von einer stärkeren Beteiligung der Beschäftigten bei der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes. Gesundheitszirkel könnten dafür ein geeignetes Instrument sein. Der Personalrat des Landesbetriebs Krankenhäuser konnte gestern aber auf Nachfrage kein Krankenhaus nennen, an dem die Angestellten auf diesem Wege am Arbeitsschutz beteiligt werden.

Iris Schneider