„Freiheit unterm Schleier“

■ IranerInnen und TürkInnen diskutieren über Islam, Frauenrechte und Schleier

Der Saal im „Haus des Sports“ ist gut besucht. Die bereitgestellten Stühle langen bei weitem nicht, um die BesucherInnen in dem gediegen-holzvertäfelten Raum unterzubringen. Immer wieder geht die Tür auf und noch eine Frau kommt herein, quetscht sich noch irgendwo zwischen FreundInnen oder Bekannte.

Die durchweg modern-europäisch gekleideten Frauen sind zu einem Vortrag mit dem kontroversen Titel „Frauen im Islam“ gekommen. Die meist jungen Männer fallen kaum auf, ganz hinten sitzt eine türkische Troika mit verschränkten Armen. Die Exil-Iranerin Mina Ahadi wollte über die „Situation von Frauen im Iran“ sprechen. Besonders die islamischen Gesetze und die Zwangsverschleierung im „Gottesstaat“ sollten ihr Thema sein.

Gleich neben der Tür sitzen zwei junge Frauen mit Tschador zwischen Kinderwagen und bärtigem Mann. „Ich denke, daß der Islam gegen die Frauen ist“, beginnt Mina Ahadi und löst Hektik unter den schwarz Verschleierten aus: die Tür klappt erneut und begehrte Stühle werden frei.

Mina Ahadi weiß, wovon sie spricht. Als Kind mußte die 1956 im Iran geborene Frau selbst Schleier tragen. Nachdem 1980 ihr Mann hingerichtet wurde, floh Ahadi in den iranischen Teil Kurdistans und engagierte sich dort politisch. 1990 schließlich verließ sie den Iran und arbeitet seitdem in Österreich an der Verbesserung der Situation von Frauen im Iran.

Allein 133.000 Frauen hätten 1991 im Iran im Gefängnis gesessen, weil sie gegen das Verschleierungsgesetz der Mullahs verstoßen hatten. Die Rechtssprechung und die Gesetze werden zwar aus dem Koran abgeleitet, aber vom Tschador steht dort nichts. „Die Frauen gelten als sexuelle Ware im Islam und deshalb müssen sie ihre Sexualität unterdrücken“, sagt Ahadi, die den Koran kennt. Noch immer werden Frauen gesteinigt, die außereheliche sexuelle Kontakte haben. Doch das sei nur ein Beispiel für den iranischen Unrechtsstaat. Der engagierten Frauenrechtlerin geht es nicht allein um die Rechte der Frauen, sondern um Menschenrechte. „Ich möchte Mitleid für alle Menschen im Iran“. Niemand dürfe das Recht dazu haben, Männer oder Frauen mit einem Schleier auf die Straße zu schicken. Der Schleier als offensichtlichster Teil von staatlicher Repression.

Aber das öffentliche Leben im Iran wird sowieso völlig von Männern bestimmt. Es gebe nur sehr wenige arbeitende Frauen, von Jahr zu Jahr würden es weniger, erzählt Ahadi. „Da Frauen angeblich nicht denken können, sind sie vom Studium und vielen Ausbildungen ausgeschlossen“. Die Familie und das Haus sind „natürlichen“ Beschäftigungen einer Frau im Islam.

Die ZuschauerInnen hören geduldig zu, manch eine nickt wissend mit dem Kopf. Obwohl Mina Ahadi noch viel von den frauenfeindlichen Scheidungsgesetzen im Iran zu erzählen hat und Suren zitiert, die sie belegen, wollen die IranerInnen und TürkInnen diskutieren. Ein junger Türke, „bestimmt aus einer Moschee“, raunt eine, ist „enttäuscht über den Vortrag“, dabei ist er extra aus Bremerhaven gekommen. Er könne das alles nicht glauben. Der Koran ist ein schwieriges Buch sagt er, Frau Ahadi habe ihn wohl nicht richtig verstanden. „Ich bin auch nur bis Seite 86 gekommen“.

Mina Ahadi bleibt gelassen, erzählt von Frauen als Handelsware. „Nein, nein“ rufen andere aus dem Publikum. Eine junge Türkin mit Kopftuch erregt sich. „Wir sind doch nicht bescheuert. Glauben Sie wirklich, daß wir die Fußabtreter für die Männer sind?“. Ihre Nachbarinnen nicken zustimmend. Sie fühlen sich freier unter dem Kopftuch, aktzeptieren es als Teil einer gelebten Religion. Der Islam müsse etwas reformiert werden, im Iran herrsche kein wahrer Islam. Ahadi bleibt weiter freundlich: „Ich glaube nicht, daß der Islam reformierbar ist“. fok