Kultur in der Warteschleife

■ Der Senat will mit neuen Versprechen das Doppelprojekt „Cinemaxx“& Museumssammlung endlich sichern

Bürgermeister Klaus Wedemeier hat sich nach der Senatsitzung in der letzten Woche persönlich des Bremer Cinemaxx-Projekts angenommen, wohl um das Schlimmste, ein Scheitern in letzter Minute zu verhindern. Seit Wochen ist das Verfahren um die geplante Kombination aus Kinokomplex und Überseemuseum in's Stocken geraten. Schließlich müssen das Bau-, Wirtschafts-, Kultur- und Umweltressort sich auf ein abstimmungsfähiges Papier einigen, ein Prozedere, das den Beteiligten nicht leicht zu fallen scheint. Eine neue Vorlage soll heute im Senat verabschiedet werden, nachdem die letzte Senatsvorlage mit dem Vorwurf, die Zahlen seien nicht genau genug, zurückgewiesen worden. Im bereinigten Entwurf will man auf detaillierte Zahlen verzichten und dem Investor vorerst durch den Senatsbeschluß eine grundsätzliche Absichtserklärung und in Form eines „Letters of Intent“ auch eine schriftliche Sicherheit geben. Verhindert werden soll wohl, daß hier ein potenten Finanzmann etwa gar die Segel streicht, zumal niemand in den Ressorts mehr Auskunft geben kann, daß die 12 Millionen des Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramms noch im Finanzierungsplan sind. Die Stimmen der Zweifler werden laut, ist das ganze Projekt in Gefahr?

„Prinzipiell“, so Barbara Loer vom Kulturressort “sind alle dafür.“ Der Senat sei sich einig, man wolle das Projekt auf der ganzen Linie. „Let's go Hollywood“ also? In Bremen träumen Politiker und Museumsleute gemeinsam von der Traumhochzeit zwischen Kommerzkino und Hochkultur. Denn in Bremen ist das Großprojekt Cinemaxx, des Kino-Königs Flebbe zu einer Ehe mit dem Überseemuseum, das seit Jahren eine bessere Unterbringung für sein Depot braucht, gediehen. Und weil es so schön wie im Film sein soll, zeigt sich kein Zweifel auf dem strahlenden Lächeln der Beteiligten. Kann denn Politik so harmonisch in die Kamera grinsen? Sie würde gerne, wenn nur das Geld nicht wäre.

Für die Stadt Bremen bedeutet der Doppel-Whopper, bei dem die Stadt den Museumsteil zu tragen hat, eine finanzielle Belastung von cirka 32 Millionen. Während der Investor der Flebbe-Gruppe mit einen 40 Millionen Anteil in der Startlöchern sitzt. Aus mehreren Töpfen soll das städtische Geld zusammengekratzt werden: bei der Stiftung „Wohnliche Stadt“ wird man einen Antrag stellen, desweiteren hofft man auf Sponsoring der freien Wirtschaft, und das Kulturressort beteiligt sich. Aus dem WAP (Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm) soll Gerüchten zur Folge nichts mehr hinzukommen. Eine Information, die ein Scheitern schon des ersten gemeinsamen Sanierungsprojekts zwischen Kultur- und Wirtschaftsressort bedeuten würde. Für die taz hieß es auf Nachfrage bei Staatsrat des Wirtschaftsressorts Dr. Haller: „Kein Kommentar“. Um die fehlende Lücke zu schließen, soll in die Finanzierung das Geld aus dem Verkauf des Grundstücks (1800 qm) an Flebbe, auf dem das Kino errichtet werden soll, fließen.

Bis zum heutigen Stand der Dinge, war Kino-König Hans Jürgen Flebbe in Bremen jahrelang mit seinen Cinemaxx auf Freiersfüßen gewandelt, bis dann endlich beim Überseemuseum seine Brautwerbung das Jawort brachte. Auf dem Gelände der Staatsbibliothek, die demnächst der Abrißbirne weichen wird, soll der Multimedialneubau erichtet werden, der einer Geschenkpackung gleicht. Unter einem Dach vereint: die Schausammlung des Überseemuseums und ein Großkino der Marke Multiplexx. Damit stellt der Doppel-Whopper ein Novum in der Branche dar, die Kombination, aus Kino und Museum ist gewagt.

„Das ist unsere letzte Chance“ ahnt Überseemuseums-Direktorin Viola König. Sonst setzt sie auf Kinogänger, die nach dem „Jäger des verlorenen Schatzes“ auch Lust auf Eingeborenenmasken bekommen. König: „Wer aus dem Umland am Freitagabend in die Innenstadt in's Kino fährt, kann dann die Vitrinen im Foyer sehen und die Schätze der Schausammlung bestaunen.“ Die geplante Präsentationsform der „gläserenen Schausammlung“, die nicht das einzelnen Ausstellungsobjekt didaktisch aufbereiten will, sondern auf die Fülle der Materials setzt, hat weltweit nur ein amerikanisches Vorbild: ein Museum in Vancouver hat ein ähnliches Konzept und damit riesigen Erfolg bei dem Besuchern. Den will man in Bremen jetzt auch. Viola König: „Wir hängen seit drei Jahren hier mit den verrottenden Schätzen unserer Sammlung fest. Das ist halt so, wenn man Überseeisches sammelt und keinen Dürer hat, denn alle gleich retten wollen. Für einen reinen Museumsbau ist kein Geld da. Daß wir Außereuropäisches im Bestand haben scheint für die Kombination mit dem Kino ein Vorteil zu sein. „ Ob sie Berührungsängste mit dem trivialen Kino hat? „Wenn wir ins Bürohaus müßten oder schlimmer noch mit einen Parkhaus kombiniert würden, davor hätte ich Angst, aber so?“ Wieder mal kameratauglicher Optimismus von höchster Seite. Verwunderlich nur, daß der Betriebsrat des Museums gerade zu diesem Jubelmoment am morgigen Mittwoch zu einem Gespräch „über die Ausblutung der bremischen Kultureinrichtungen“ einlädt.

Über Finanzielles muß sich der ehemalige Filmfan und Programmkinomacher Hans-Joachim Flebbe keine Gedanken mehr machen. Daß sein Investitionsvolumen bei 40 Millionen für die Kinoseite des Gebäudes betragen wird, weiß er schon seit zweieinhalb Jahren. Heute, wo er Herr über ein kleines Imperium an Großkinos ist, kann er es sich sogar leisten, Geduld mit den langsamen Mühlen der Bremer Politik zu haben. Die Kombination mit dem Museum findet man „spannend“, vergißt darüber aber den Eigennutz nicht ganz: „Wir versuchen mit hochkomfortablen Kinos die Besucher wieder zu gewinnen, die jetzt 30 bis 50 Jahre alt sind, und in den 70ern aufgehört haben ins Kino zu gehen. Diese Leute können wir über die Nachbarschaft mit einen Museum in dem Ausstellungen gezeigt werden vielleicht wieder ins Kino locken.“ erklärt Pressesprecher Thomas Schulz. Auch einen Termin für die Hochzeit mit dem Überseemuseum hat man sich bei Flebbe schon ausgedacht. Spätestens Ende 1996 soll im Cinemaxx-Komplex die erste Filmrolle über den Projektor laufen. Susanne Raubold