Feuerschutz für Fluß

■ Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel: Sanierungsprogramm nicht zu machen

Der Bremer Finanzsenator bekommt Unterstützung. Gestern mischte sich der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel in die laufende Debatte um die Entschuldung Bremens ein. Seine Botschaft: Das Sanierungsprogramm ist beim besten Willen nicht so umsetzbar, daß Bremen nach den fünf mageren Jahren auch nur halbwegs entschuldet herauskommen könnte. Wer das behauptet, der schürt gefährliche Illusionen. Und: Bremen bleibt gar nichts anderes übrig, als den Kurs des Finanzsenators Fluß weiterzufahren. Der Löwenanteil der Bonner Milliarden fließt in das Investitionssonderprogramm (ISP), nach allen Sparmaßnahmen bleiben für die Entschuldung des Bundeslandes unter dem Strich lediglich 300 Millionen pro Jahr übrig. Nicht mehr als ein symbolischer Beitrag, findet Hickel. Besser ginge es eben nicht, das müßte der Senat den BremerInnen und den Bonner Geldgebern klarmachen.

Zwei Jahre nachdem alle politisch releventan Kräfte und alle wichtigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände die „Bremer Erklärung“ unterschrieben haben, zwei Jahre nach dem bestaunten Bremer Alle-Mann-Manöver scheinen alle Gemeinsamkeiten verbraucht, schreibt der Bremer Professor. Der große Sanierungskonsens scheint am Streit über den Haushalt 1995 und über die mittelfristige Finanzplanung zu zerschellen. Auf der einen Seite stünden Ressortegoismen, auf der anderen aber seien völlig überzogene Erwartungen in Umlauf, wieviel politischen Spielraum die BremerInnen überhaupt ersparen können. Der sei beileibe nicht so groß. Wenn Bremen es schafft, so hauszuhalten, daß sich die Finanzlage nicht dramatisch verschlechtert, dann ist schon viel erreicht, findet der Professor. Mit der Teilentschuldung des Bundes sei nicht mehr drin als die Stabilisierung des Status Quo.

Der Deal mit Bonn, wie er vor zwei Jahren ausgehandelt wurde: Der Bund schiebt bis 1998 fünf Raten a 1,8 Milliarden Mark in die Hansestadt. Macht neun Milliarden Mark. Bremen nutzt diese Teilentschuldung für öffentliche Investitionen, die nur einem Ziel dienen dürfen: der Stärkung der Wirtschaftskraft. Gleichzeitig darf der Bremer Haushalt jährlich nur um bis zu drei Prozent anwachsen. Die Resultate des Programms werden von der Bundesregierung überwacht.

Auf dieser Grundlage entwickelt Hickel drei politische Optionen. Die erste: Bremen strebt an, mit dem Ende des Sanierungszeitraumes 1998 den Schuldenberg von 17,7 Milliarden (per 31.12.93) um dieselbe Höhe wie die Gelder aus Bonn reduziert zu haben. Neun Milliarden für den Schuldendienst, dazu kämen noch 1,8 Milliarden Zinsersparnis. „Die puristische Option“, schreibt Hickel, sei „unrealistisch“ und „nicht sinnvoll“. Eine rein rechnerische Option, die der Bremer Senat in seinen ersten Vorstellungen zur Umsetzung des Sanierungsprogramms in die Welt gesetzt hat und nun nicht mehr los wird. Die Crux: Die Rechnung funktioniert nur, wenn Bremen gleichzeitig keine Kredite mehr aufnimmt, um den laufenden Haushalt zu decken. Um die angestrebte Marge bei den Zinsersparnissen zu erreichen, müßte die Nettokreditaufnahme null sein – was die Sparschraube bis weit über das erträglich Maß anspannen würde, mit schweren Folgen auch für die regionale Wirtschaft. Der öffentliche Haushalt würde so totgespart, daß auch die öffentlichen Investitionen stark eingeschränkt wären. Das wiederum würde die Wirtschaftskraft schwächen. Operation gelungen, Patient tot.

Dem hält Hickel die politischen Optionen zwei und drei entgegen, die beide schon heute im Senat für die mittelfristige Finanzplanung diskutiert werden. Option zwei, die beim Bremer Wirtschaftssenator präferiert wird: Bremen könnte die 1,8 Milliarden aus Bonn komplett für das Investitionssonderpro-gramm verwenden. Der Haushalt dürfte gleichzeitig nur um drei Prozent steigen. Doch um diese Steigerung zu finanzieren, die Gelder aus Bonn kämen dafür nicht in Frage, müßten höhere Kredite aufgenommen werden. Der tiefe Zug für die Bremer Wirtschaft aus der öffentlichen Investitionspulle hätte für den Bremer Haushalt fatale Folgen. Hickel rechnet vor: Unter dem Strich bliebe keine Mark für die Entschuldung übrig. „Erst einmal wird durch diese Option die derzeitige Haushaltnotlage zementiert.“ Und: Die Zinsausgaben gehen nicht zurück, Bremen bleibt gefangen in der Schuldenspirale, und zwar unvermindert.

Erst wenn die öffentliche Investitionen zu einem höheren Steueraufkommen führten, käme es zu einer Entlastung des Haushaltes. Aber erstens, so Hickel, sei dieses Resultat ungewiß, zweitens müßte die Null-Entschuldung erst einmal den Bonnern erklärt werden.

Viel besser sei da Option Nummer drei, die kommt aus dem Hause des Finanzsenators Manfred Fluß. Die Basis: allerstrengste Haushaltsdisziplin. Der Bremer Haushalt darf lediglich um 2,1 bis 2,6 Prozent anwachsen, das Investitionsprogramm bleibt auf 1,5 Milliarden beschränkt, blieben unter dem Strich noch 300 Millionen Mark pro Jahr zur Schuldentilgung. Am Ende des Sanierungszeitraums hätte das Bundesland die rechnerische Option von neun Milliarden Mark für die Entschuldung mit den so erreichten 1,5 Milliarden nicht geschafft – aber mehr sei eben angesichts der ökonomischen Rahmenbedingungen nicht drin, sagt der Wirtschaftsprofessor. Zusammen mit der Begrenzung der Ausgaben sei das eher ein „symbolisches Signal für eine Politik der Haushaltskonsolidierung“.

„Wir hätten das von Anfang an sagen müssen“, erklärt Hickel auf Nachfrage. „Von Anfang an war klar, daß Bremen bestenfalls den Status Quo halten kann.“ Langfristig komme das Land nicht darum herum, den Länderfinanzausgleich neu zu verhandeln, das sei auch schon klar gewesen, als das Sanierungskonzept beschlossen worden sei. „Aber das kann man nicht jetzt in der Hektik machen, wenn die Mittel knapper werden.“ J.G.