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Für Ellis Huber könnte es knapp werden

Bei der morgen beendeten Ärztekammerwahl mobilisiert die Opposition für einen Wechsel an der Spitze Kassen und Senat blockierten Initiativen der Ärztekammer, klagt Präsident Huber  ■ Von Dorothee Winden

Es könnte knapp werden für Ellis Huber. Der 45jährige Präsident der Berliner Ärztekammer, der für die reformorientierte Fraktion Gesundheit antritt, hatte bei der letzten Wahl noch knapp zwei Drittel der Delegierten hinter sich. Diesmal ist er nicht sicher, ob er wiedergewählt wird. Die Opposition mobilisiert vehement für einen Wechsel an der Spitze der Standesvertretung. Die Auszählung der Stimmkarten am Mittwoch abend verspricht spannend zu werden.

„Viele Ärzte fühlen sich verletzt, weil sie den Eindruck haben, daß ich sie in der Öffentlichkeit schlechtmache und ihren Interessen schade“, versucht Huber den Stimmungswechsel zu erklären. Der couragierte Reformer, der seit Jahren gegen Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen und für eine patientenorientierte Medizin eintritt, galt vielen Kollegen schon immer als Nestbeschmutzer. Daß er den Grünen nahesteht, paßt der Riege konservativer Standesvertreter erst recht nicht in den Kram.

Zusätzlich bekommt Huber jetzt den massiven Unmut der Ärzte zu spüren, der sich infolge der Seehoferschen Gesundheitsreform aufgestaut hat. Die fetten Jahre sind vorbei, der Nachwuchs sieht seine Karriere von Niederlassungsbeschränkungen bedroht, und nie war das Image der Ärzte so ramponiert wie heute.

Der Wahlkampf wird aggressiv geführt. „Spinnertum und pseudo- elitäres Sendungsbewußtsein“ dürften nicht länger die Geschicke der Berliner Ärzte bestimmen, wettern die „Internisten in Klinik und Praxis“. Die Attacke zielt wie so manch andere auf Ellis Huber persönlich, ohne ihn direkt zu nennen. „Wir wollen einen Präsidenten, der sein Amt nicht länger als Forum einer eitlen Selbstdarstellung zu Lasten der Ärzte mißbraucht und – wann immer Medienschelte die Ärzte trifft – in diese einstimmt – um sich zu profilieren“, sägt die Liste „Aeskulap“ an Hubers Sessel.

Daß es letztlich aber um ein höchst unterschiedliches Verständnis von Medizin geht, zeigt die Äußerung der „Internisten“, die allen Ernstes behaupten, die Homöopathie gehöre „auf den Müll der Medizingeschichte und nicht in die Gazetten der Ärztekammer“. Für Huber ist die Wahl denn auch eine „grundlegende Richtungsentscheidung“: Entweder die Ärzteschaft entscheidet sich für den Reformweg zu einer besseren und preiswerteren Medizin oder die restaurativen Kräfte gewinnen.

Dann, so Huber, „bunkert sich die Ärzteschaft weiter ein und manövriert sich zunehmend ins Abseits“. Die Ärzte hätten noch nicht realisiert, daß sie viel zu verlieren haben, wenn sie nicht bereit sind, ein Gesundheitswesen zu reformieren, „in dem der gute Arzt wenig verdient und der Abrechnungsakrobat gut über die Runden kommt.“

Blockiert wird Huber, dessen Konzepte längst bundesweit gefragt sind, aber nicht nur von den konservativen Ärzten, sondern auch vom Senat und den Krankenkassen. Wiederholt hat er den Kassen eine Zusammenarbeit angeboten und blitzte ab, zuletzt als es um die Umsetzung der Pflegeversicherung ging. Auch die Senatverwaltungen für Gesundheit und Soziales bügelten innovative Vorschläge der Ärztekammer ab.

„Wenn Sozialsenatorin Stahmer mutig wäre, gäbe es vier Armenambulanzen in der Stadt, in denen Obdachlose medizinisch und psychosozial versorgt würden. Statt dessen verhandelt sie seit einem Jahr mit der Kassenärztlichen Vereinigung über das Abrechnungsverfahren für ein Arztmobil“, kritisiert Huber. „Wir haben allenfalls zehn Prozent von dem erreicht, was wir erreichen wollten“, bedauert er. Dennoch kann sich das Erreichte sehen lassen.

Die Ärztekammer hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Initiativen auf den Weg gebracht: Ein arbeitsmedizinischer Dienst berät mittelständische Betriebe, die keinen eigenen Betriebsarzt haben. Das Zentrum zur Behandlung von Folteropfern ist von der Ärztekammer durchgesetzt worden.

1991 hat die Clearingstelle für Polamidon-Substitution ihre Arbeit aufgenommen. Sie versteht sich als Vermittlerin zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen, die an Drogenersatz-Programmen mitwirken, und bietet Fortbildungsveranstaltungen und Fallbesprechungen an. Auch die Naturheilkundetage wurden von der Ärztekammer ins Leben gerufen. Ebenso bemerkenswert ist auch die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft der Ärztekammer mit derzeit 236 Arbeitsplätzen, nicht nur für arbeitslose ÄrztInnen, sondern auch für andere MitarbeiterInnen des Gesundheitswesens. Um nur eines der zahlreichen ABM-Projekte zu nennen: Ein achtköpfiges Team sorgt am Hauptbahnhof für die gesundheitliche Betreuung von Obdachlosen.

Auf Bundesebene wirbt Huber seit einiger Zeit dafür, „Berlin zum Experimentierfeld der Erneuerung“ zu machen. Denn hier ballen sich „die meisten Probleme“, zugleich aber auch „das meiste kreative Potential“ zur Bewältigung. Ein Beispiel: In Berlin wird ein Fünftel der bundesweiten Aids- Fälle behandelt. „Wir können in Berlin Lösungen entwickeln, die allen helfen werden,“ lautet Hubers Überzeugung.

Er will sich auch weiter „im Bündnis mit den Kassen“ gegen die Vergeudung im Gesundheitswesen und für eine radikale Entbürokratisierung einsetzen. Ob er dazu auch Gelegenheit haben wird, darüber entscheidet das Wahlverhalten der 21.300 Berliner ÄrztInnen.

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